PARIS/LONDON (dpa-AFX) – Anleger an den wichtigsten europäischen Börsen zogen sich am Freitag zurück. Bei unspektakulärem Handel verlor der EuroStoxx 50 (EURO STOXX 50) am späten Vormittag 0,3 Prozent auf 3.764,74 Punkte. Der französische CAC 40 ist um 0,28 Prozent auf 6.539,13 Punkte gefallen, während der britische FTSE 100 um 0,16 Prozent auf 7.553,52 Punkte gestiegen ist.
Angesichts konjunktureller Risiken zeigten sich die Märkte vorsichtig. „Die Risikoaversion hat zugenommen und die Renditeaufschläge südeuropäischer Staatsanleihen gegenüber Bundesanleihen sind zuletzt wieder gestiegen“, beschreiben Volkswirte der Helaba die Lage. „In Europa bleibt das Thema Rezession auf der Agenda“, sagte Marktexperte Andreas Lipkow von Comdirect. “Der anhaltende starke Anstieg der Energiekosten wird voraussichtlich in den kommenden Handelsmonaten erhebliche Auswirkungen auf die Inflation und die Kosten für Unternehmen haben.”
Die Gefahren, die von der Preisentwicklung ausgehen, unterstreichen einmal mehr die neuen Daten aus Deutschland. Laut Statistischem Bundesamt stiegen die Erzeugerpreise im Juli um 37,2 % gegenüber dem Vorjahresmonat. Das ist deutlich mehr als der Anstieg von 32,7 % im Vormonat und der stärkste Anstieg seit Beginn der Erhebungen im Jahr 1949. Analysten hatten hingegen mit einer leichten Abschwächung des Kursanstiegs gerechnet.
Rezessionssorgen spiegeln sich in der Entwicklung einzelner Branchen wider. Defensive und weniger zyklische Sektoren wie Telekommunikation, Pharma und Lebensmittel hielten sich gut. Auf der anderen Seite tendierten zyklische oder konsumabhängige Branchen wie Reisen, Automobile und Einzelhandel eher schwach.
Beim Handel mit schlechten Nachrichten hat Just Eat Takeaway (Just Eat Takeawaycom) mit einem Kurssprung eine Veränderung vorgenommen – die Aktie ist um mehr als 30 % gestiegen. Der Verkauf der Anteile am brasilianischen Essenslieferdienst iFood hat die Sorgen der Anleger um die Finanzen des Essenslieferdienstes sichtlich beruhigt. Mutter Lieferando erhält für ihre Beteiligung an iFood eine Summe von 1,5 Milliarden Euro. Es kann auch eine erfolgsabhängige Komponente von bis zu 300 Millionen geben. Mit dem Geld will Just Eat Takeaway seine Bilanz stärken und sich auf anstehende Kreditzahlungen vorbereiten.
Der Schritt komme zunächst nicht überraschend, komme aber schneller als erwartet, sagte Analyst William Woods von Bernstein Research. In Bezug auf Liquidität und Rentabilität dürfte es den Anlegern eine gewisse Erleichterung bringen.
Unter den Technologieaktien stach Adyen (Adyen BV Parts Sociales) mit zusätzlichen Verlusten von 2,4 % hervor. Zahlreiche Banken hatten nach den Vortageszahlen den Daumen gesenkt. Das Investmenthaus Bryan Garnier stufte das Rating angesichts einer Phase anhaltender Investitionen von „Kaufen“ auf „Neutral“ herab. Die guten langfristigen Aussichten für den Zahlungsabwickler bleiben intakt, aber kurzfristig dürfte es starken Gegenwind geben, argumentierte Analyst Paul Charpentier. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht kann der Gegenwind stärker werden.
Bauwerte und Baustoffe hielten besser. Das Analysehaus Jefferies hatte sich zu den Perspektiven der Branche differenziert geäußert. Während sich die US-Bauwirtschaft angesichts des Nachholbedarfs kurzfristig robust entwickeln dürfte, deutet die Stimmung in der Branche darauf hin, dass sich die Lage mittelfristig verschlechtern dürfte, schrieb Analyst Glynis Johnson in der Studie. Global sticht jedoch weiterhin der US-Infrastrukturmarkt positiv hervor. Als „Kaufen“ eingestufter CRH stieg um 0,3 %./mf/mis