Altes Flughafengebäude wird saniert

UNDEs war eine Zeit, in der ein Hauch von Welt um Gießen schwebte. In den 1920er Jahren wurde die Stadt an das Streckennetz der Lufthansa angeschlossen. Der Flug nach Frankfurt kostete sieben Reichsmark. Auch das Flughafengebäude war vor allem sonntags ein beliebtes Ausflugsziel für die ganze Familie. Die Leute saßen bei einer Tasse Kaffee und einem Stück Erdbeerkuchen auf der Terrasse und sahen den gelegentlichen Starts und Landungen zu.

Nach der Übernahme des Geländes durch die US-Armee blieb das Haus im Bauhaus-Stil auf der Strecke – und verfiel. Daniel Beitlich haucht ihm nun neues Leben ein. Knapp eine Million Euro hat der Miteigentümer des Bauträgers Revikon seit 2015 in die Sanierung investiert. Das Gebäude gilt als „hervorragendes Denkmal der Moderne“. Es soll am Memorial Day am 10. September 2023 offiziell wiedereröffnet werden.

In der Mitte wuchs eine Birke

Beilich sammelte Fotos des Empfangsgebäudes aus der guten alten Zeit. An den Wänden hängen einige Aufnahmen. Der historisch interessierte Investor ist daran interessiert, alles möglichst originalgetreu zu restaurieren. Als er das Grundstück kaufte, waren von dem Haus nur noch Mauerreste übrig, die von Gestrüpp bedeckt waren. Die Decke stürzte ein. In der Mitte wuchs eine Birke.

Alles ist jetzt neu. Die Aufschrift „Flughafen Gießen“ wurde für einige Wochen wieder makellos auf die Fassade gestempelt. 15.000 Euro kostete die Herstellung und Fixierung der mit Goldfarbe bemalten Holzbuchstaben. Ein Schreiner fertigte die Türrahmen individuell von Hand an. Der Denkmalschutz hatte überall ein Mitspracherecht. Während das Erdgeschoss mit dem kleinen Café weitgehend fertiggestellt ist, müssen die drei Gästezimmer im Obergeschoss noch hergerichtet werden.

So sieht das historische Flughafenbüro Gießen heute aus.


So sieht das historische Flughafenbüro Gießen heute aus.
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Bild: Marcus Kaufhold

2491 war einst die Telefonnummer des Flughafens, wie Daniel Beitlich recherchierte. Über sie wurde damals alles abgewickelt: Ticketverkauf, Information und auch die Erdbeerkuchenreservierung im Café. „Die Wieseckaue war ideal für den Flugbetrieb. Doppeldecker und Zeppeline landeten auf der Rasenbahn, noch bevor die Lufthansa dorthin zog. Für die Gießener war es eine Art Fenster zur Welt, ein Aufbruch in die Moderne“, erklärt der Investor während des Rundgangs.

Mehr als 7.000 Menschen nahmen an Führungen über das Flughafengelände teil, wie Beitlich berichtete. Dies zeigt das Interesse der Gießener an dem Relikt einer ruhmreichen Vergangenheit, das über 70 Jahre von der Bildfläche verschwunden war. Revikon wird das Gebäude nach Fertigstellung zu Repräsentationszwecken nutzen. Auch andere Unternehmen, die sich dort niedergelassen haben, haben die Möglichkeit dazu. Sie wird der Öffentlichkeit nicht frei zugänglich sein. „Das Café wäre zu klein zum Arbeiten“, bedauert Beitlich. „Außerdem passen Gastronomie und Denkmalschutz nicht zusammen. Die Bearbeitungen sind zu groß.“

wenige Passagiere

Der Flughafen Gießen wurde 1925 errichtet. Die ersten Linienflüge führten nach Frankfurt, nach der Eingliederung in das Streckennetz der Lufthansa, die 1926 aus der Südwestdeutschen Luftverkehrs-Gesellschaft hervorging, auch nach Kassel. Für den Deal musste die Stadt Gießen der Lufthansa vertraglich einen damals beachtlichen Jahresumsatz von 50.000 Reichsmark garantieren. In den ersten zwölf Monaten wurde der Flughafen in 149 Tagen gewartet. 1931 gab es 2.252 Abfahrten in 129 Tagen. Doch die Passagierzahlen waren sehr gering, und 1933 wurde der Betrieb bis auf die Zubringerflüge nach Frankfurt und dann 1936 ganz eingestellt. Ein Jahr später bauten die Nationalsozialisten die Anlage zu einem Militärflugplatz um. Am 1. Mai 1939 wurde dort das Kampfgeschwader 55 „Greif“ abgestellt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die US-Armee das Gelände und richtete dort das US-Depot mit dem europäischen Hauptquartier der „Army’s Own Consumer Goods Supply Chain“ ein. Der militärische Teil des US-Depots wurde 2007 geschlossen, die letzten zivilen Teile 2015.

Das Bundesamt für Immobilienaufgaben übernahm die Nutzung des 200 Hektaren grossen Grundstücks und verkaufte es an Revikon. 80 Hektar stehen unter Naturschutz. Revikon gestaltete die verbleibende Fläche neu und verkaufte sie nach und nach. Das sanierte Empfangsgebäude des Flughafens wird zur „baulichen Visitenkarte“ des Areals.

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