- IB-Leiter Martin Sellner: Alt, verheiratet, Vater, lebt inmitten der Verweigerung der Krone und schreibt weltweite Rezensionen für das Institut für Staatspolitik.
- IB-Sachsen-Star Alexander „Malenki“ Kleine: Vater, Imker, jetzt Ruhe nach Aktivismus auf YouTube, Instagram und Podcast – und nach Strafverfolgung wegen Beleidigung im Juli 2022 um 1.300 Euro ärmer (vgl. L-IZ).
- IB Rapper Chris Ares: Verschwunden beim Versuch, sich in ein bürgerliches Dasein zurückzuziehen, gerade mit einer locker formulierten Anzeige für neue Musik zurückgekehrt.
Die „Identitätsbewegung“ ist seit 2014 ein Aushängeschild der rechtsextremen Szene: bäuerlich schlau und pseudointellektuell, ein bisschen Jugendkultur, internetaffin, aber auch offline aktionsorientiert gegen das Verbotene. die junge Leute in die Szene locken oder dort halten können. Aber spätestens mit Corona hat auch der IB aufgehört zu reden. Martin Sellner hinkte als digitaler Sprecher hinterher, obwohl seine Reichweite aufgrund von De-Platforming in fast allen großen Social-Media-Netzwerken stark eingeschränkt war. Jetzt, nach der Gründung einer erfolglosen Nachfolgegruppe „Die Österreicher“, geistert er durch Telegram und Nischen-Videoplattformen wie „Odysee“ und hat sich in den letzten Jahren besonders dem Leugnungsmedium der Krone verschrieben. Erfolge gab es nur beim Versuch, Corona-Demonstrationen mit Transparenten wie „Kontrolliere die Grenze, nicht dein Volk“ oder „Deine Nadel bricht in uns“ anzuführen. Nun ja.
Seit dem Anschlag von Christchurch gilt die „Identitätsbewegung“ in rechtsextremen Kreisen als „befleckt“ (vgl. Belltower.News), weshalb jüngere Aktivisten diesen Zusammenhang eher beschönigen. Auch weil sie sonst aus den großen sozialen Netzwerken entfernt werden. Lokale Gruppierungen nennen sich mittlerweile „XY-Revolte“ oder „XY-Bande“, manchmal auch „Gegenkultur“ (vgl. Belltower.News), obwohl sich inhaltlich nichts geändert hat. Der Attentäter von Christchurch benannte sein Manifest nicht nur nach einer der zentralen Narrative der Bewegung, „The Great Replacement“ – „The Great Replacement“ – sondern stand vor ihrem Anschlag in E-Mail-Kontakt mit Sellner und spendete dem rechten Aktivisten 1.500 Euro. Sellner bedankte sich begeistert bei dem späteren Attentäter und lud ihn zum Kaffee nach Wien ein. Dazu kam es nie, stattdessen kam es zu einem rechtsextremen Terroranschlag, bei dem 51 Menschen ums Leben kamen.
Kaum mehr IB-Gesichter
Auf der offiziellen IB-Website sind nur noch fünf traurige Männer übrig, die dem IB ihr Gesicht zeigen wollen: IB-Nationalvorstand Philpp Thaler, bekannt als Alex Malenkis Sidekick aus dem gemeinsamen Videoformat „Lautagined“ (inzwischen eingestellt), Daniel Sebbin. der als Mitbegründer der Biermarke „Pils Identitarian“ angepriesen wird, Sebastian Zeilinger mit seinem „Verein für alternative Hilfe (AHA)“, der Flüchtlinge an der Flucht nach Europa hindern wollte, und zwei bisher weniger sichtbare Aktivisten aus Niedersachsen ( Jan Krüger) und Hesse (Heinrich Mahling) – Vorbei sind die Zeiten, in denen noch 15 Rechtsextreme bedeutungsvoll in die Kamera starrten. Alle gelöscht. Der Standort wirkt verwahrlost, das Projekt für das lange stillgelegte Haus in Halle wird noch ausgeschrieben, die neue „Mitte“ in Ulm (Belltower.news) ist nicht gefunden.
Misserfolge „gegenkultureller“ Medienarbeit
Gegenkulturelle Medienarbeit wird ausgeschrieben – aber auch nicht weit entfernt. Occident Media, die IB-Agentur, bewirbt das Produkt „Okzident.News“ als „Die erste patriotische Nachrichten-App“. Verantwortlich für die Website sind Daniel Sebbin (der Biermann) und Daniel Fiß, ehemaliger Präsident von IB Deutschland und jetzt Mitarbeiter des AfD-Abgeordneten Siegbert Droese. Auf dem Aufdruck steht der prägnante Satz „Der Wille regiert die Welt“. Doch die App ist auf keinem der Links mehr zu finden, offensichtlich plattformlos in den Google- und Apple-Stores – und auch vom Zeitgeist etwas veraltet, denn Telegram fungiert mittlerweile wohl als „patriotische Nachrichten-App“. Occident.Media selbst hat nur eine Seite auf Facebook und Instagram, die beide zuletzt 2021 aktualisiert wurden. Die Seite ist nicht mehr erreichbar. Sebbin und Fiß machen eigentlich mit einem ganz ähnlichen Angebot weiter, nur heißt es jetzt “Feldzug.net” und ist ebenfalls eine Digitalagentur. Diese wiederum ist mittlerweile auch auf Telegram zu finden, erreicht dort aber nur einen bescheidenen Followerkreis und heißt auf YouTube immer noch „Okzident Media“. ops Ein weiteres Propagandaprojekt der IB-Medien, das Spiel „Heimat Defender“, konnte sich außerhalb rechtsextremer Kreise ebenfalls nicht durchsetzen – und wurde mittlerweile auch auf Spielevertriebsportalen wie Steam de-platformiert.
Zurück auf der Straße
Wenn die digitalen Medien ausreichend ausgeschöpft sind, wird der Offline-Aktivismus von „Identitären“ 2022 vor Ort wieder aufgenommen. In Wien beispielsweise mauerten „Identitäre“ im Juni 2022 die Tür einer Bibliothek zu, in der Drag Queen Candy Licious vorlesen sollte Kinder im Pride Month (vgl. Standard). Das ist eine NPD-Strategie der 2000er Jahre, aber naja, originell waren Rechtsextremisten nie, außer in ihrem Hass.
- In Ulm versuchen IB-Kreise nach dem Scheitern des IB-Hauses in Halle (vgl. Belltower.News) eine neue „Zentrale“ zu gründen – was bereits zu Protesten geführt hat (Belltower.News berichtete).
- Im schwäbischen Asberg versuchte der IB, den Mord an einem jungen Mädchen rassistisch zu instrumentalisieren, und stellte bei einer Opfer-Gedenkveranstaltung sogar ein Kreuz auf – was der Bürgermeister von Asberg mit Einsicht und Entschlossenheit aufklärte. Martin Sellner postete daraufhin alle Kontaktdaten des Bürgermeisters auf Telegram, um ihn abzuschrecken und Aktivisten zum Handeln zu drängen. Der Präfekt ließ sich jedoch nicht einschüchtern (vgl. Zwv, lkz).
- Unterdessen hängten IB-Aktivisten am 6. August in München den neuesten menschenverachtenden Slogan „Abschiebung schafft Lebensraum“ an Gerüste (vgl. Twitter doc/IB).
- Am 7. August organisierte der IB eine Aktion im Wüstenzentrum der Stadt Klagenfurt und protestierte vor der Zentrale des „Vereins Menschenrechte Österreich“ (vgl. zwitschern).
Andere machen jetzt auch IB
Gleichzeitig beeinflussten das Vorgehen und die Ästhetik des IB jedoch die gesamte rechtsextreme Szene – und lebt nun anderswo weiter.
So greift beispielsweise ein Dortmunder aus dem „Dierechte“-Umfeld, Martin Wegerich, die Ästhetik älterer IB-Trikots für ein Trikotdesign auf (vgl. Twitter/IB-Dokument), während die NPD-Jugendorganisation in Berlin am 4. August 2022 vor dem Columbiabad in Neukölln auflief und den IB kopierte: Kurzer, auf mediale Reproduktion ausgerichteter Auftritt mit Spruchbändern und Pyrotechnik – nur die Forderung nach „Massenabschiebungen“ ertönte wie die NPD tarnt das IB es gern als “Rückwanderung” (vgl. Belltower.News).
Ältere Iber sind jetzt woanders aktiv
Eine weitere Möglichkeit, die IB-Ideologie dauerhaft zu verbreiten: Zahlreiche ehemalige IB-Kader finden heute ihre Betätigungsfelder in anderen Gruppierungen.
Inzwischen finden ältere IB-Kader wie Martin Sellner und Daniel Fiß bei der selbsternannten „Neuen Rechten“ in Schnellroda ein Betätigungsfeld in der Nähe. Sie publizieren in der Zeitschrift „Sezession“ und im Antaios-Verlag (vor kurzem ist Sellners neues Buch mit Martin Lichtmesz über die Erzählung der antisemitischen Verschwörung „Great Reset“ erschienen).
Andere Identitäten finden in der „Jungen Alternative“, der Jugendorganisation der AfD, eine neue Heimat, sodass die JA mittlerweile stark vom Auftritt der IB dominiert wird. Der ehemalige IB NRW-Aktivist (seit 2016) und Burschenschaftsmitglied Nils Sören Hartwig leitet den JA-Bundestag und JA Arnsberg (vgl. NW). Auch der Bundessprecher von JA Carlo Clemens soll dem IB nahe stehen, mehr noch aber dem „Institut für Staatspolitik“ und „Secession“ in Schnellroda, also der selbsternannten „Neuen Rechten“, denen sich auch ehemalige IB-Mitarbeiter zugehörig fühlen. Als strukturelle Unterstützung bietet Clemens auf zwei Arten Buchstipendien an, mit denen Mitglieder der Jungen Alternative Bücher von Sellner & Co erwerben können. Twitter doc/IB)
Aufbruch in den “warmen Herbst”
Aber vielleicht gibt auch das oft prognostizierte Krisenklima des „heißen Herbstes“ oder des „Wutwinters“ Identitätsvorstellungen Auftrieb. In Österreich jedenfalls fordert IB-Dekan Martin Sellner statt Großdemonstrationen eher kleinere Vor-Ort-Aktionen gegen Politiker, berichtet der BR. Dies sei eine „gute Gelegenheit, eine echte dissidentische und patriotische Basisbewegung und -kultur aufzubauen“. Wird so etwas die von Sellner erwartete “revolutionäre Zäsur” sein? Zumindest wird der IB wieder die Möglichkeit haben, kleine Aktionen in den Medien zu verstärken – aber die Öffentlichkeit kennt diese Taktik bereits.