Bagger Party Race 2022 | MOTORDonline.de

Montagmorgen, halb acht im Büro. Ich sitze mit zusammengekniffenen Augen vor dem Computer und trinke bereits meinen dritten Kaffee. Irgendwie hilft selbst zu viel Koffein nicht, mich aufzuwecken. Plötzlich platzte der Kapodaster von MOTORRADs Schwestermagazin PS in mein Büro: „Mario, pass auf, du fährst am Freitag nach Schlüsselfeld, da ist Baggerrennen!“ Ich sehe ihn erstaunt an, plötzlich erregt von seiner Nachricht. “Baggerrennen? Genau wie in den USA? Fette Kreuzer auf einer Rennstrecke fahren?” – „Ja, so ähnlich“, antwortet Johannes mit einem breiten Grinsen im Gesicht.



Es ist Freitag und ich bin auf dem Weg zum ADAC Fahrsicherheitszentrum im bayerischen Schlüsselfeld. Dort sollte es also stattfinden, das erste Bagger Race auf europäischem Boden im Stil der US-Rennserie „King of the Baggers“. Seit 2019 sorgt es als Teil der AMA Superbike für Furore und bietet im wahrsten Sinne GROSSARTIGEN Rennsport. Wer die Serie noch nicht kennt, dem empfehlen wir die Videos hier im Artikel – großes Kino! In den USA schlug die Meisterschaft ein wie eine Bombe. Wo sonst als dort, im Heimatland der monströsen Kreuzer, könnte so etwas gelingen? Trotzdem dürften viele geahnt haben, dass das Ganze auch in Europa bzw. Deutschland auf fruchtbaren Boden fallen könnte. Nun haben sich also die drei Haupthersteller der zweirädrigen Monster – Harley-Davidson, BMW und Indian – zusammengetan und 2022 das erste „Bagger Party Race“ ins Leben gerufen.


Ah, Werksfahrer!

Die drei Hersteller brachten zehn tolle Bikes nach Schlüsselfeld, von der BMW R 18 bis zum indischen Challenger Dark Horse. Ich fange bei Harley-Davidson an und darf mich offizieller H&D-Fahrer nennen. Einmal im Leben arbeitet man als Fahrer – wenn auch nur für einen Tag. Oh! Das ist großartig.


Mein Gerät ist eine Harley-Davidson Low Rider ST. Ein wuchtiger 1923-Kubik-Ford-Two mit fetten 168 Newtonmetern Drehmoment und 106 PS trifft auf ein noch größeres Gewicht von 327 Kilogramm. Umbaumaßnahmen: eine laute Jekyll & Hide Klappenauspuffanlage, eine kleine Windschutzscheibe und – vermutlich – Sturzpads. Ansonsten ist das Milwaukee-Wrack komplett original, wie alle anderen Mopeds. Und da kamen mir meine Zweifel: Tja, da drüben, über dem großen See, wird alles komplett umgebaut und für den harten Rennsport angepasst. Vor allem, sagen wir es vorsichtig, die fehlende – nein, seien wir ehrlich – die fehlende Neigungswinkelfreiheit ist das Problem. Und sollte ich jetzt versuchen, einen normalen Low Rider ST zu fahren? Ich habe schon oft so ein Eisenmonster bewegt, aber nur um herumzulaufen und vor der Eisdiele eine coole Figur zu machen. Und selbst dann landest du schneller mit Pins oder Brettteilen, als du das Wort „Abheben“ sagen kannst. Außerdem ist der Kurs besser für Superbikes geeignet als für große Boomer. Nun, das wird es. Es sollte.




„Harley weiß nicht einmal, was mit ihr passiert“

Nach und nach trafen die rund 300 Gäste und Zuschauer ein, denn um 14 Uhr begann die erste Trainingseinheit. Ich steige in den grauen Tankwagen, drücke den Startknopf und der mächtige V2 erwacht zum Leben. Den Auspuff auf Vollgas stellen solange er noch schwimmt – Mann, das scheppert! – und erklimmen Sie den Micky-Maus-Parcours. Die ersten drei Runden lasse ich es ruhig angehen und laufe entspannt im Kreis. „Hömma, ich bin hier um schnell zu fahren und nicht um zu schnauben“, denke ich mir dann. Also: Wischen Sie dafür nach oben und unten! Mit kraftvoller Beschleunigung steuert der Low Rider ST auf die erste Rechtskurve zu. Kurz Gas geben, mit vollem Körpereinsatz die Last abwerfen, dann die Eisen auf die nächste linke Seite stellen, eine extrem enge Haarnadelkurve. Der Metzeler am Vorderrad schreit bei den gewaltigen Kräften nur so um Hilfe, lässt sich aber auch mit leichtem Schlupf überschlagen. Vom Scheitelpunkt wieder wässern und mit kräftigem Drehmoment wieder herauskommen. Jede Runde, die ich schneller werde, weiß Harley nicht einmal, was mit ihr passiert. Es scheint, dass alle Komponenten hart landen – die mangelnde Kurvenfreiheit sollte mit Verschleiß einhergehen. Sowohl Thilo Günther, Straßenrennfahrer, als auch Bernd Hiemer, zweifacher Supermoto-Weltmeister, lassen ihre Bikes ständig über die Strecke driften – Wahnsinn! Nach dem Training steige ich völlig verschwitzt von der Harley. Mann, ist das blöd – aber blöd gut!


Fest im Kies einbetoniert

Um 15:15 ist das erste von 11 Rennen. 9 Bagger sind am Start, ihrem Burnout-Status angemessen. Die erste Runde hinter dem Safety Car und dann Feuer machen, losfliegen! Der Handlingkurs ist für ein einzelnes Fahrrad eng, aber mit einem Haufen Kreuzer, die in der ersten Kurve explodieren, wird es noch schlimmer. Und zack, schon ist es passiert: Ein R 18 ist fest in den Kies einbetoniert. Doch das soll nicht der einzige Vorfall des Tages bleiben, fast jede Maschine steht irgendwo – für sportliches Fahren sind die Dinger nicht gebaut. Glücklicherweise gab es keine ernsthaften Verletzungen. „Bagger-Is-Better-Racing“ und Massen-Burnouts hielten bis in die Nacht an. Nicht nur wir Fahrer waren total begeistert und hatten viel Spaß, auch das Publikum war begeistert. Am Ende gab es keine Gewinner, es sollte einfach nur ein Spaß-Event werden. Aber: Das Bagger Party Race braucht 2023 definitiv seine nächste Ausgabe! Die Veranstaltung hat mehr als gezeigt, wie viel Spaß es macht, die dicken Schiffe an ihre Grenzen zu bringen. Unnötig zu erwähnen, dass es auch spektakulär aussieht. Also Harley, Indian und BMW: Bis nächstes Jahr!


Fazit

Rennen mit fetten Baggern – ein Spektakel für Zuschauer und ein Riesenspaß für Fahrer! Über eine weitere Auflage des „Bagger Party Race“ würden sich nicht nur wir sehr freuen, sondern auch viele Fans der tollen Cruiser.

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