Bundeskanzler in Rathenow: Olaf Scholz über Gaspreise, Entlastung und Russland – kein Wort zu China


Es ist ein verschwitzter Mittwochnachmittag in Rathenow. Vor dem Restaurant Havel Schwedendamm bildet sich eine lange Schlange, als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für 15.30 Uhr ankündigt. Personen in der Warteschleife werden registriert. Ein privater Sicherheitsdienst durchsucht die Taschen der Gäste und an zwei Stehtischen werden die Namen der Angemeldeten mit den Angaben auf ihren Ausweisen abgeglichen.

Es gibt Armbänder. Zum Glück führt der weiteste Weg nicht in die Halle, sondern unter einem großen Baldachin auf die Terrasse des Havelwassers. Da ist es nicht so heiß. Die Luft steht noch.

Sonja Eichwede als Gastgeberin von Olaf Scholz in Rathenow

Mehr als 100 Menschen erwarten die Regierungschefin ab 15.30 Uhr, darunter auch die 2021 direkt in den Bundestag gewählte Genosse und SPD-Moderatorin Sonja Eichwede. Ihr Wahlkreis erstreckt sich von Rathenow über Potsdam-Mittelmark und Teltow-Flaming. Natürlich laufen auch andere SPD-Genossen durch die Tischreihen, wie Katja Poschmann, Landtagsabgeordnete aus Premnitz, und der Vorsitzende des SPD-Stadtrats aus Rathenower, Sebastian Lodwig. Beide sollen Mikrofone für Fragesteller tragen.

Währenddessen bringt das Serviceteam viele Getränke zu den Besuchern der Veranstaltung, die den Namen „Bürgerdialog“ trägt. Scholz ist noch weit entfernt. Gut für den Schnapsverkauf des Restaurants, weniger gut für die SPD vor Ort, die am Ende die Rechnung bezahlen will. Es wird immer schweißtreibender. Kurz vor 16.15 Uhr kündigten Pfiffe die Ankunft der Kanzlerin an. Außerhalb der Sicherheitszone keuchen regierungsfeindliche Zuschauer, bis sie rot werden.

Lieferungen von Waffen, Gas, Hilfspaketen und Werbung für den politischen Kurs

Gedämpfter Applaus, als die Kanzlerin, eskortiert von hauptamtlichen Leibwächtern, die Terrasse betritt. Eichwede moderiert nun den „Bürgerdialog“, Scholz greift anschließend zum Mikrofon und spricht über die aktuelle Lage zum von Russland initiierten Krieg in der Ukraine und die internationalen Folgen. Es geht um Waffenlieferungen, Gaslieferungen, Hilfspakete und im Grunde um Eigenwerbung für den eingeschlagenen politischen Kurs. Dass dies nicht unkritisch bleibt, beweisen Pfiffe allein nicht. Auch die Opposition im Bundestag, bestehend aus CDU/CSU, Linkspartei und AfD, hat bekanntlich sehr unterschiedliche Ansichten zur Bewältigung der deutschen Krise. Das Havel-Restaurant bietet nun die Möglichkeit, den Bundeskanzler gegenüber mit Fragen zu konfrontieren, ihn also zu befragen.

Zu Beginn bekommt Horst Schwenzer das Mikrofon. Der frühere Stadtkämmerer von Rathenow und jetzige FDP-Landesrat denkt an seine Rente. Schon jetzt zeigt sich, dass es nicht einfach ist, Fragen so präzise zu formulieren, dass der Regierungschef sofort antworten muss. Schwenzer braucht mehrere Sätze. Während Scholz jetzt ausführlich reagiert, hat mindestens die Hälfte der Leute bereits vergessen, worum es wirklich geht.

Wie wird sich Deutschland verhalten, wenn China seine Interessen in Taiwan mit militärischer Gewalt durchsetzen will?

Hartmut Fellenberg, ehemaliger Geschäftsführer der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft Rathenow (KWR), verschachtelte seine Frage, die bis zu zwei Fragen enthielt, stark. Sorgen bereitet ihm zunächst, warum Olaf Scholz nicht mehr von “Putins Krieg” spricht, sondern von Russland. Die Antwort auf Teil 2 könnte die Welt von Washington bis Peking in Atem halten. Zu Sanktionen gegen Russland und Waffenlieferungen an die Ukraine will Fellenberg wissen, wie Deutschland reagieren würde, wenn China seine Interessen in Taiwan mit militärischer Gewalt durchsetzen würde. Dank der insgesamt hohen Komplexität der Fragestellung kann Scholz den zweiten Teil problemlos hintenanstellen.

Es scheint, dass einige Fragesteller mehr an ihren eigenen Aussagen als an Antworten interessiert sind. FSV-Optiklehrer Ingo Kahlisch erntet Applaus, wenn er fragt, wer sich eigentlich im Alltag um die Menschen kümmert. Zum zunehmenden Personalmangel fügt er hinzu, dass „wir“, also die Deutschen, auf dem Weg seien, alles zu liefern. Wir sind keine Meritokratie mehr. Die Kanzlerin sprach dann im Wesentlichen von der Notwendigkeit massiver Investitionen in die Ausbildung und auch in qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland.

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Olaf Scholz meldet sich nur für eine Stunde – dann Termin in Neuruppin

Aufgrund der langen Fragen und viel längeren Antworten kommen nur relativ wenige Gäste zu Wort. Plötzlich mahnt Sonja Eichwede, der Kanzler müsse spätestens um 17.15 Uhr zu seinem nächsten Termin. Die Uhr tickt und die Veranstaltung leidet nun unter Zeitmangel. Ein älterer Herr stellt die letzte Frage. Wann der Regierungschef sein Kabinett, also das Ministerteam, erstmals neu aufstellt, möchte er wissen. Der Mann wird von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) und Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) drangsaliert. Olaf Scholz macht deutlich, dass die beiden aus seiner Sicht einen guten Job machen würden. Es wird also keine Regierungsreorganisation mit ihm geben.

Bundeskanzlerin spricht von mehr Entlastung bei lautstarken Protesten

Bevor die Kanzlerin nach Neuruppin aufbricht, gibt es noch einige Erinnerungsfotos von und mit anderen SPD-Politikern. Sonja Eichwede dankt derweil dem Havelrestrant Schwedendamm-Betreiber John Schach und gratuliert ihm und seiner Frau. Beide haben kürzlich geheiratet.

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