Die Voraussetzungen für Homeschooling sind je nach Kanton sehr unterschiedlich. In der Westschweiz ist es zum Beispiel problemlos möglich; Liberal sind auch die Deutschschweizer Kantone Aargau, Bern und Appenzell Ausserrhoden. In manchen ist Homeschooling nur mit Lehrerlaubnis der Eltern erlaubt (AI, GL, GR, LU, SG, SZ, ZH), in anderen sind die Vorschriften so streng, dass es praktisch unmöglich ist (BS, ZG), und in manchen ist Homeschooling vollständig verboten (TI, UR, NW, OW, TG). Die Bolligers leben im Kanton Aargau. Einen Antrag auf Homeschooling müssen Sie hier nicht stellen, eine Meldung an das Schulsekretariat reicht aus. Außerdem sind ein Zeitplan, eine Jahresplanung und diverse Zwischenberichte vorzulegen. Einmal im Jahr kommt auch eine Person vom Schulamt zur Kontrolle.
Der Wunsch, ein Klassenzimmer in vier Wänden einzurichten, hat in den letzten Jahren zugenommen. Dafür gibt es viele Gründe: Einige haben schlechte Erfahrungen mit ihren Kindern in öffentlichen Schulen gemacht. Andere, wie die Bolligers, wollen einfach mehr Freiheit. Die Entscheidung der Familie stieß zunächst auf viele Missverständnisse. Kinder aus der Nachbarschaft riefen: „Ihr werdet zu Eimermännern, wenn ihr nicht zur Schule geht! » Heute neigen Gleichaltrige dazu, 14-jährige Zwillinge zu beneiden.
„Viele Leute finden es cool, dass wir keine Tests machen müssen, oder sie finden, dass wir erst um zehn Uhr aufwachen“, sagt Amani lachend. Die Realität sieht jedoch anders aus. Die Mädchen sitzen bereits um sieben Uhr an ihren Schreibtischen, fünf Tage die Woche. Sie arbeiten auch gerne nachmittags – weil es ihnen gefällt.“ „Wir lernen nichts, nur weil es auf dem Lehrplan steht“, sagt die Mutter. Wenn Kinder wissen wollen, warum auf der Südhalbkugel Winter ist, sollten sie diese Frage beantworten.
Als sie begannen, sich für den Zweiten Weltkrieg zu interessieren, lernten sie mehrere Wochen intensiv – obwohl beide erst in der zweiten Klasse waren. „Wenn jeder nach seinen Interessen und Stärken lernen würde, hätten wir richtig gute Leute“, ist Sandra Bolliger überzeugt. “Aber wir liefern viel Potenzial.”
Damit die sozialen Kontakte trotz Homeschooling nicht zu kurz kommen, gehen die Mädchen viermal pro Woche ihren Hobbys nach: Karate, Tanzen und Scouting. „Das ist natürlich etwas anderes, als jeden Tag in der Schule zusammenzusitzen“, sagt Bolliger. Andererseits ist eine Klasse keine Garantie für Freundschaften. Einmal im Jahr treffen sich Amani und Nisha außerdem mit anderen Homeschoolern zu Projektwochen: Sechs Wochen lang lernen sie zum Beispiel mit Experten sechs Wochen lang Chemie und Physik – Fächer, die zu Hause aufgrund der erforderlichen Experimente nur schwer zu unterrichten sind.
Sandra Bolliger ist vom Homeschooling überzeugt: «Kinder brauchen Erwachsene, die ihnen den Weg weisen – wer könnte das besser als ihre Eltern?» Sie können sich auch ohne Lizenz mit Schulmaterial vertraut machen. Wer sich aber ständig mit seinen Kindern wegen der Hausaufgaben streitet, kann sich Homeschooling kaum vorstellen. „Das höre ich oft“, lacht Bolliger. Sie entdeckt: Es gibt Stress, wenn sich die Welt der Schule und die Welt des Zuhauses vermischen. Wenn sie getrennt sind, gibt es weniger Konflikte.
„Natürlich muss nicht jeder zu Hause lernen – aber wer will, soll es dürfen.“ Allerdings muss man auch zahlungsfähig sein: Die Arbeit ist unbezahlt und bedarf finanzieller Unterstützung.
Die großen Zwillinge kamen gut mit Homeschooling zurecht: Der 17-jährige Noah, der sich mit zwölf Jahren für Finanzen interessierte, macht jetzt eine Ausbildung zum Bankkaufmann. Seine Schwester Malin hat die Aufnahmeprüfung für Kanti mit Bravour bestanden. Seine wichtigste Entdeckung nach zwei Jahren Schule: „Ich habe zu Hause gelernt, weil es mir Spaß gemacht hat. In der Schule lerne ich für Prüfungen – was die Lehrer wollen und nicht was mich interessiert.“