Schlecht ausgerüstete Feuerwehren: Die Waldbrandwelle: Sachsen hat nicht einmal einen Löschhubschrauber
Hölle vor der Tür: Die Waldbrände in Deutschland waren noch nie so heftig wie in diesem Jahr. Experten warnen davor, dass Deutschland auf diese Folgen des Klimawandels noch nicht vorbereitet ist. Das ist auch für die Einsatzkräfte gefährlich.
Für die Feuerwehrleute ist es schwer zu ertragen: Die Flammen schlagen meterhoch aus dem Trockenwald – doch sie selbst sind zur Untätigkeit verurteilt. Der Grund: Der Löschhubschrauber fehlt. Da das Brandgebiet nahe der sächsischen Kurstadt Oybin steil und unpassierbar ist, müssen Einsatzkräfte am Freitag auf den Hubschrauber warten. Aber Sachsen hat kein eigenes und muss sich an andere Bundesländer wenden. „In den letzten Jahren ist so viel gespart worden, was uns jetzt zu Füßen fällt“, sagte Kreisbrandmeister Björn Mierisch am Samstag im Kreis Görlitz. “Jetzt wird es teuer.”
Nur sechs Stunden nach dem Feueralarm kam die Hilfe der Thüringer Polizei. Ihr Helikopter kann einen Behälter mit bis zu 400 Liter Wasser anbringen und über das Feuer werfen. „Das war im letzten Moment“, sagt Miersch. „Der Wind nahm immer mehr zu und drohte, die Flammen noch weiter auszubreiten.“ Es wurde viel Zeit verschwendet. Inzwischen wurde die Seite isoliert. Glücklicherweise blies der Wind die Flammen in die entgegengesetzte Richtung und die Bevölkerung war nicht in Gefahr.
Spannend, aber jetzt keine Zeit?
Geschosse explodieren, Straßen gesperrt
Ganz Europa wird im Sommer 2022 von einer beispiellosen Waldbrandepidemie heimgesucht, und Deutschland ist mittendrin. Ein Feuer im südbrandenburgischen Landkreis Elba-Elster hat Ende Juli eine Fläche von 1.200 Fußballfeldern verwüstet. Einsatzkräfte mussten aus dem fernen Potsdam anrücken, um den Brand unter Kontrolle zu bringen.
Im Tschechisch-Deutschen Wandergebiet Sächsische und Böhmische Schweiz steigen seit Tagen dicke Rauchwolken auf, vereinzelt lodert noch immer die Glut. Zahlreiche Touristen haben ihren Aufenthalt in lokalen Hotels storniert, und das Gastgewerbe leidet. Auch die Hauptstadt Berlin war betroffen: Anfang August brach in einem Lager für alte Weltkriegsmunition und Granaten im Berliner Grunewald ein Feuer aus, mehrere Explosionen waren zu hören und die wichtige Berliner Stadtautobahn Avus musste gesperrt werden vorübergehend geschlossen werden.
„Deutschland ist jetzt ein Land der Waldbrände“
Nach Angaben des EU-Waldbrandinformationssystems EFFIS waren bis Ende vergangener Woche bereits 4.068 Hektar Wald in Deutschland abgebrannt – ein absoluter Rekord, und das Jahr ist noch nicht vorbei. „Deutschland ist mittlerweile ein Land der Waldbrände“, sagt der Ökologe Somidh Saha vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
Woher kommt die Waldbrandwelle? Experten sehen die Ursache in der Dürre und Hitze der vergangenen Jahre – und damit im Klimawandel. „Trockenheit und Hitze waren die Grundlage für mehrere Wald- und Feldbrände“, heißt es im Juli-Bericht des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Laut DWD lag die Durchschnittstemperatur im Juli bei 19,2 Grad – und damit 2,3 Grad über dem Vergleichswert der Jahre 1961 bis 1990. Zudem regnet es wenig, die Gesamtniederschlagsmenge ist gerade in diesem Jahr deutlich unterdurchschnittlich.
Wenn Shisha die Hölle entfesselt
Die Ursache von Waldbränden kann nur indirekt auf den Klimawandel zurückgeführt werden. „Mehr als 95 Prozent der Waldbrände in Deutschland werden von Menschen verursacht – zum Beispiel der berühmt-berüchtigte Zigarettenstummel, der aus einem Autofenster geworfen wird“, sagt Markus Drüke vom Potsdam-Institut für FOCUS-Klimafolgenforschung online. Dieses Fehlverhalten, so Drüke, sei jedoch konstant, sodass die Zunahme der Waldbrände nicht damit zu erklären sei, dass die Deutschen plötzlich viel unvorsichtiger gewesen seien.
Stattdessen ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Zigarettenstummel einen verheerenden Waldbrand auslöst, stark gestiegen – und hier kommt wieder der Klimawandel ins Spiel. Die Zunahme der Brände „sind auf Dürren, hohe Lufttemperaturen, geringe Luftfeuchtigkeit und starke Winde zurückzuführen, die wiederum durch den Klimawandel begünstigt werden“, erklärt Drüke. „Dadurch werden mehr potenzielle Brandauslöser zu Flächenbränden und können sich auch schneller ausbreiten.“ Wenn also zwei leichtsinnige junge Männer in den Wäldern der Sächsischen Schweiz mit ihrer Shisha hantieren, wie die Staatsanwaltschaft Dresden nun vermutet, ist die Höllengefahr heute viel größer als noch vor wenigen Jahren.
Gefährlicher Kampf in voller Schutzausrüstung
Eine Hölle, mit der die Einsatzkräfte im sächsischen Kurort Oybin zunächst allein gelassen wurden. Stundenlang können sie nur versuchen, das Feuer von den Seiten einzudämmen. Mit Hilfe erfahrener Bergsteiger werden Pumpen und Schläuche zum Brandgebiet gebracht, um eine Wasserversorgung herzustellen.
Ein gefährlicher Job, vor allem bei Außentemperaturen über 30 Grad mit voller Schutzausrüstung und Bodentemperaturen von mehreren hundert Grad. Zwei Feuerwehrleute werden bei dem Einsatz verletzt, einer hat Kreislaufprobleme und ein weiterer eine Rauchvergiftung. In Oybin hingegen wird schnell klar, was ein Helikopter macht: Rund ein Dutzend Mal senkt er seine Ladung ab, die Flammen sind fast erloschen, die Feuerwehr kann übernehmen. Das Feuer ist schnell unter Kontrolle gebracht.
“Wir sind einfach zu spät”
Die Situation in Sachsen ist kein Einzelfall. In vielen Teilen Deutschlands sind die Einsatzkräfte noch immer nicht auf die neue Realität vorbereitet. „Was wir jetzt in Bezug auf das Brandverhalten sehen, ist normalerweise in Spanien und Portugal sichtbar“, sagte Forstwissenschaftler Alexander Held vom Europäischen Forstinstitut Ende Juli gegenüber Phoenix TV. „Wir liegen in Sachen Training, Strategie, Taktik, aber auch Ausstattung knapp zurück.“ Wegen der Dürre ist mancherorts sogar Wasser zum Löschen von Bränden knapp.
In Sachsen will Innenminister Armin Schuster (CDU) nun 30 Millionen Euro für Spezialfahrzeuge, große Löschtankwagen und Spezialausrüstung ausgeben. Auch ein Feuerwehr-Polizeihubschrauber soll angeschafft werden, er wäre eine Premiere in Sachsen – aber er wird erst im nächsten Jahr einsatzbereit sein. Zwei weitere sollen in den nächsten zwei Jahren hinzukommen. „Schneller wäre schön, aber die Marktlage ist schwierig und die Lieferzeiten lang“, sagt Kreisbrandmeister Miersch.
Feuerwehren seien zwar besser gerüstet als in den Waldbrandjahren 2018 und 2019, aber das reiche noch nicht, sagte Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) im Juli. In diesem Jahr wurden neben geländegängigen Fahrzeugen 35 spezielle Tanklöschfahrzeuge angeschafft. Bei Hunderten von Hektar großen Bränden wie dem im Elbe-Elster-Kreis ist die Bundeswehr mit ihren Löschhubschraubern nach wie vor unverzichtbar.
Waldumbau im „Frühstückstempo“
Aber nicht nur die Rettungsdienste müssen modernisiert werden, auch der Wald selbst muss sich verändern. „In Deutschland ist die Vegetation – anders als in den feuerliebenden Regionen Afrikas und Südamerikas – nicht an die zunehmende Häufigkeit und Intensität von Waldbränden angepasst“, sagt Drüke vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. “Gerade in Brandenburg, der Region mit den meisten Waldbränden in Deutschland, gibt es viele Kiefern-Monokulturen. Kiefernnadeln im Boden und Kiefernholz sind besonders brennbar.”
Experten fordern daher seit Jahren ein Ende der Monokulturen und mehr Mischwälder. Dadurch würden nicht nur die Bäume selbst weniger brennbar, sondern der Untergrund könnte auch mehr Wasser speichern. „Nun fordert es seinen Tribut, dass die altbekannte Aufgabe der Waldentwicklung aufgeschoben wurde – oft aus kommerziellen Gründen“, kritisiert Pierre Ibsch von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Nadelbaumplantagen würden noch neu bepflanzt. “Das muss jetzt aufhören.”
Die Bundesregierung stimmt zu. Der Waldumbau ist im Semaphor-Koalitionsvertrag als Ziel definiert. „Wir müssen unsere Wälder in rasender Geschwindigkeit umbauen“, sagte Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) im Juli, „von Fichten-Monokulturen zu hitzebeständigen Wäldern, Mischwäldern.“ . „Denn eines ist klar: Die Waldbrandgefahr in Deutschland wird durch den Klimawandel in den kommenden Jahren weiter zunehmen.“
mit dpa-Material