Rostock. Das Geräusch der Hanse Sail im Morgengrauen: das leise Brummen der Schiffsmotoren, Wellen, die an Boote schlagen, Möwen singen. Ein Laubbläser bläst Zigarettenkippen auf den Asphalt, Jörg Fuchs fährt mit der kleinen Kehrmaschine, die surrt, an der Kaikante entlang. Aus dem Seitenfenster von Sven Hakanssons Pickup (60) ist Gerry Rafferty – „Baker Street“ – kaum zu hören. NDR Frühstücksradio.
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Leichen trinken – nein! Küssende Paare – Ja!
Der Sound der Hanse Sail, wenn er zwischen vier und acht Uhr aufwacht, ist besonders. Für Romantiker und Menschen, die auch mal lieber alleine sind oder den Sonnenaufgang genießen – optisch und akustisch. Jeder Sonnenaufgang hat auch eine Akustik, fast unhörbar.
Und für all die ist es wie gemacht, dieser Sound, der hinter der Bühne wirbelt, lange nachdem die letzten Gäste zu Bett gegangen sind, lange bevor die nächste Besucherwelle geht. Am Rande der Pier auf der Haedge-Halbinsel, zwischen Riesenrad und festgemachtem Partyschiff „Koi“, trifft sich zu dieser besonderen blauen Stunde zudem eine besondere Crew, die sich relativ leise, aber nordisch freundlich trifft und ihren Job verrichtet. Zwei Wachleute machen mit einem Hund ihre Runde und winken zur Begrüßung. Leichen gefunden? Nein! Hast du gesehen, wie sich Paare küssen? Ja!
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Besitzer mit Hunden schlendern zwischen „Hot Wheels“-Autoscootern und Bauernbrot, Läuferin Kati geht locker an den coolen Hüten vorbei, aus der anderen Richtung kommt Jürgen, dem man ansieht, dass er noch nicht so lange läuft, mit Crêpes und „Rocardi-Drink“ im hinteren Bereich. Frühe Schiffsbeobachter kommen mit Kameras – Schiffe vor Sonnenaufgang, immer auffällig.
Security Peter Helmut sitzt auf Bühne zwei. Nichts zu tun? “Ich lagere die Technologie hier, Mann.” Gerry Rafferty wurde mit ihm zu Smokie: “If you think you know how to love me . . .” Nun, Lead the Way – Peter Helmut wird auch den Weg weisen. Richtung Koje in der Südstadt.
Der Wechsel begann um 22 Uhr. Er ist bereit zu schlafen. Radio schaltet gerade auf Hoffmann & Hoffmann (1979): „Himbeereis zum Frühstück, Rock’n’Roll im Fahrstuhl. Ja, wir waren beide…” Hoffnungslos und verrückt, sicher, aber wenn das kein Grund ist zu gehen…
René Weilandt (50) kommt mit seinem Einsatzfahrzeug von der Müllhalde der Stadt. Er hat 28 Mitarbeiter an Hanse-Sail-Tagen in der Hafencity und in Warnemünde vor dem Wind. Vier kleine Kehrmaschinen, drei große Kehrfahrzeuge, ein Müllwagen und zwei Container für die Pressen sind unterwegs.
Bis das Team den orangefarbenen Overall nach der Sail in die Schließfächer hängt, werden rund 30 Tonnen Müll aus dem Stadthafen und Warnemünde auf der Deponie Parkentin entsorgt sein. Früher, vor der Einführung des Becherdepots, waren es 50 Tonnen. Für Weilandt eine der sinnvollsten Regelungen aller Zeiten. “Früher ist man hier knöcheltief durch den Plastikmüll gelaufen, der schon bei leichtem Wind ins Hafenbecken geweht wurde.”
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Es funktioniert heute. „Heute ist Generalprobe für morgen.“ Die Sonntagnacht ist traditionell die wildeste. Weilandt kann das beurteilen, es ist seine 26. Hanse Sail. Er hat als kommunaler Müllabfuhrfahrer angefangen und leitet nun das Team.
Sven Hakansson dreht mit dem Kehrfahrzeug seine Runden. Er kann nicht direkt an die Pierkante oder zwischen die Stände fahren. Dort fegen Peter Rohde (49) und Eckard Langosch (57) ganz altmodisch mit Besen den Müll aus den Ecken. Hakansson erscheint. “Man kann nicht alle Zigaretten loswerden”, sagt er. „Aber nach der Hanse Sail ist der Hafen der Stadt nicht so sauber wie das ganze Jahr über.“
31. Hanse-Sail
Die 31. Auflage der Rostocker Hanse Sail findet vom 11. bis 14. August in Rostock und Warnemünde statt. Hunderttausende Besucher werden erwartet, um entlang der Alleen im Stadthafen und in Warnemünde und an Bord von mehr als 100 Schiffen zu feiern. Höhepunkt ist das Feuerwerk in der Hafencity Rostock. OZ wird live dabei sein, wenn gegen 22 Uhr die Raketen hochgehen. Für die Krone gibt es dieses Jahr keine besonderen Regeln. Am Sonntag, 14. August, ist die Hanse Sail von 11 bis 20 Uhr geöffnet. Die Stars unter den diesjährigen Segelbooten sind das deutsche Segelboot „Gorch Fock“, das polnische Segelboot „Dar Mlodziezy“, die Barkasse „Artemis“, der 3-Mast-Schoner „Minerva“ oder die Haikutter „Hansine“. wie die Partyschiff-Motorboote „Koi“ und der Eisbrecher „Stettin“. Die 32. Hanse Sail findet vom 10. bis 13. August 2023 statt.
Es ist ihre Arbeit, die man nur sieht, wenn sie nicht getan wird. Dies gilt auch für Lieferanten. Um 6.47 Uhr bringt Wolfgang Holtz (62) aus Wahrstorf bei Rostock mit seinem Lkw mit der Aufschrift „Obst Basti“ Obst und Gemüse in den Hafen der Stadt. Acht Erdbeerrosen für die Piratenbar “Lass mich dir helfen, damit du ein Foto machen kannst.” Er hat es eilig. Tomaten und Gurken müssen noch als zweite Portion an den Baguettestand. „Ich mache das seit über 30 Jahren. Ich war von Anfang an dabei“, sagt er.
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Wolfgang Holtz (62) von „Obst Basti“ liefert frische Erdbeeren an die Piratenbar im Hafen der Stadt.
© Quelle: Martin Börner
Auch Heike und Holger Kentzler (beide 53 Jahre) sind Hanse-Sail-Urgesteine. Sie liefern Brötchen, Baguettes, Blechkuchen zu “Pippilotta”. Renate Holm (76) von Flensburgs „Ryvar“ wird liquidiert. Sie ist erst seit zehn Minuten wach. Ihr Schiff legt direkt an der Pierkante an. Nachts wandern dort alle herum. Schließen Sie die Augen nicht, bis der letzte Gast im Meer des Dreierpacks ist.
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Heike und Holger Kentzler (beide 53 Jahre) von der Bäckerei Kentzler in der Hafenstadt Rostock beliefern die Crew der „Pippilotta“ mit frischem Brot, Baguettes und Kuchen.
© Quelle: Martin Börner
Und nun’? „Mach schon, mein Kaffeewasser kocht“, lacht sie. Der dritte Tag der Navigation steht bevor. Ich bin aufgewacht, die Sonne lacht.
Skipper sagt: “Ich liebe es!”
Hollands „Oban“ fährt immer noch sehr schnell. Alle schlafen, man wacht auf. Kapitän Olaf Broekstra sitzt mit Blick auf die Morgensonne auf der Steuerbordseite seines alten Heringsloggers von 1905. Ein Mann allein mit seinem Kaffee. In der Küche kochen Gemüsebrühe, Fischsuppe und Pfeffer.
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Kapitän Olaf Broekstra vom niederländischen Heringslogger „Oban“ kocht in seiner Küche Fisch-, Gemüse- und Paprikasuppe, bevor er bei Sonnenaufgang an Deck einen Kaffee genießt.
© Quelle: Martin Börner
Seit 22 Jahren besitzt er den „Oban“ und ist seit 20 Jahren Stammgast in Rostock. Es gibt noch drei Ausgänge. Er schaut auf seinen dampfenden Kaffee, dann nach Osten auf die rote Sonne und nickt begeistert: „Ich liebe es!“
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Von Michael Meier