Dorfbewohner engagieren sich ehrenamtlich in Sprachkursen für Flüchtlinge aus der Ukraine

Wulfersdorf. Der Tisch ist gedeckt. Da kommt die Kellnerin. “Würdest du bitte?” Nach einem kurzen Blick auf die Speisekarte antwortet die Person neben ihnen: “Eine Soljanka, bitte.” Dann gibt es ein Hauptgericht und natürlich ein Getränk, zum Beispiel Bier oder Saft.

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Nachdem alles bestellt, serviert und gegessen ist, fragt die freundliche Kellnerin: „Wie wäre es mit dem Dessert? Wir haben Eis – Schokolade und Vanille.“ Die Bestellung folgt sofort, wenn auch noch etwas unsicher. Und weil alles so gut geschmeckt hat, gibt es natürlich ein Trinkgeld dazu. „Stimmt“, sagt der Gast lächelnd und verabschiedet sich.

„Sehr gut“, lobt Heidrun Lück. Die pensionierte Deutschlehrerin schaut sich um und lädt den nächsten Gast ins „Restaurant“ ein. Er ist heute Nachmittag im Gemeindezentrum in Wulfersdorf.

Deutschkurse donnerstags für Ukrainer in Wulfersdorf

Dort finden jeden Donnerstag Sprachkurse für ukrainische Flüchtlinge statt. Bevor es losgeht, werden Tische und Stühle gerückt – bis sich der Raum in ein Klassenzimmer verwandelt, das wirklich einem Klassenzimmer gleicht. Etwa 15 Schüler aller Altersstufen – von Kindern bis zu Männern und Frauen im reifen Erwachsenenalter – nehmen Platz und warten gespannt auf den Start.

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Ingo Beyer erklärt die deutschen Begriffe an der Tafel.  Hintergrund: Kai-Uwe Stockfisch.

Ingo Beyer erklärt die deutschen Begriffe an der Tafel. Hintergrund: Kai-Uwe Stockfisch.

Das Thema für diesen Tag ist „Im Restaurant“, kündigt Lehrerin Heidrun Lück an, beginnt den Unterricht aber wie gewohnt mit einem kleinen Update des Stoffes aus der vorherigen Klasse. Es geht um Präpositionen. Dafür stellt sie abwechselnd eine Flasche um einen Stuhl – mal drauf, mal daneben, mal vor oder hinter sich und betont: „Die Flasche steht auf dem Stuhl“…

Wulfersdorf: Deutscher Wortschatz für Restaurantbesuche

Dann geht es um Vokabeln rund um einen Restaurantbesuch: das Hauptgericht, die Speisekarte, der Kellner… Ingo Beyer aus Wulfersdorf unterstützt Heidrun Lück, erklärt den Unterschied zwischen „Café“ und „Café“, fügt Begriffe hinzu Tafel oder schlüpft auch in die Rolle des Kellners – mit dem Wechsel der “Gäste” in der Gruppe. Ein paar Requisiten genügen, um den Restaurantbesuch zu simulieren – ein Teller, ein paar Gläser und Löffel. Auch Kai-Uwe Stockfisch unterstützt hier und da mit Erklärungen zu deutschen Wörtern, Formulierungen oder Redewendungen.

Hier beleuchten Heidrun Lück und Ingo Beyer (vorne) das Thema "Im Restaurant".

Hier beleuchten Heidrun Lück und Ingo Beyer (vorne) das Thema „Im Restaurant“.

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Der Unterricht vergeht wie im Flug. Diese Deutschkurse finden seit Mai im Gemeindezentrum Wulfersdorf statt – jeden Donnerstag um 16 Uhr. Zwar lernen erwachsene Flüchtlinge aus der Ukraine auch Deutsch in der Volkshochschule – und Kinder in der Schule. „Aber sie wollten weitermachen“, sagt Heidrun Lück. Also organisierten die Wulfersdorfer diese Schulstunden ehrenamtlich.

Heidrun Lück ist Deutschlehrerin im Ruhestand; Ingo Beyer ist aktiver Lehrer an der Waldring-Grundschule in Wittstock, wo er Mathematik, Informatik und Musik unterrichtet. Kai-Uwe Stockfisch arbeitet bei einem Versicherungsunternehmen.

In Wulfersdorf werden Sprachkenntnisse auf reale Situationen übertragen

Eine Unterrichtseinheit in Wulfersdorf dauert eine bis anderthalb Stunden. Die Atmosphäre ist entspannt, aber nicht zu locker. Schließlich müssen Sprachkenntnisse vermittelt werden. Der Unterschied zu anderen Deutschkursen: Hier geht es immer um ganz reale Themen – Situationen, die im Alltag oft zu bewältigen sind, inklusive praktischer Übungen: „Beim Friseur“, „beim Arzt“, „Auf der Bank“ – oder auch “Im Restaurant”.

Für diese Übung lieferte „Markt 11“ in Wittstock echte Speisekarten, die zu einer Art Lehrbuch wurden. Gelegentlich werden in diesen Zeiten auch die Unklarheiten des Deutschunterrichts an der Volkshochschule geklärt.

Ukrainer freuen sich, direkt in Wulfersdorf mit Deutschen Deutsch lernen zu können und gleichzeitig Kontakt zu den Einheimischen zu haben. „In meinem Kopf schwirren mehrere Sprachen herum, Ukrainisch, Englisch, Deutsch“, sagt die 19-jährige Anastasia, die lieber Englisch spricht. Die Universität, die sie in ihrem Heimatland besuchte, wurde zerstört.

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Ein Blick auf das Tafelbild in Wulfersdorf.

Ein Blick auf das Tafelbild in Wulfersdorf.

In Wulfersdorf leben etwa 20 ukrainische Flüchtlinge

In Wulfersdorf leben rund 20 ukrainische Flüchtlinge in vier Wohnungen, die mit Hilfe von Dorfbewohnern hergerichtet wurden. Ein Teil der Menschen wurde auf dem Rückweg von einem Hilfstransport im März an der polnisch-ukrainischen Grenze und später in Berlin abgeholt. Seit sie in Wulfersdorf eine Unterkunft gefunden haben, werden sie von den Bewohnern nicht nur beim Sprachunterricht unterstützt.

Auch Kai-Uwe Stockfisch bringt die Kids zum Turnen nach Wittstock und holt sie wieder ab. Er und Bürgermeisterin Tina Fischer unterstützen auch mehrere Anträge, wenn es um Schulessen, Familienbeihilfe oder ähnliche An- und Wiedereinschreibungen geht.

Häufig Probleme bei der Kontoeinrichtung für Ukrainer

Problematisch wird es oft, wenn ein Konto eingerichtet werden muss. „Es gibt Banken, die keine Ausweise in kyrillischer Schrift akzeptieren“, berichtet Tina Fischer. Ergebnis: kein Konto, kein Job.

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Wann die Ukrainer in Wulfersdorf in ihre Heimat zurückkehren können oder ob sie in Deutschland bleiben, sei noch unklar, sagt Oberbürgermeisterin Tina Fischer. Gute Deutschkenntnisse helfen aber in jedem Fall.

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