Die von der Federal Reserve Bank of Kansas City veranstaltete Konferenz wird in diesem Jahr mit besonderer Begeisterung verfolgt. Denn fast alle großen Zentralbanken heben die Zinsen drastisch an, um die Inflation im Zaum zu halten. Zum einen die US-Notenbank, deren Vorsitzender Jerome Powell am kommenden Freitag am zweiten Tag der Konferenz im US-Bundesstaat Wyoming sprechen wird.
Seit der Zinswende im März hat die US-Notenbank das geldpolitische Niveau stetig angehoben und damit auf eine Bandbreite von 2,25 % bis 2,50 % angehoben. Das Stakkato erreichte im Sommer mit einem Doppelschlag von jeweils 0,75 Prozentpunkten seinen Höhepunkt. Die Finanzmärkte rätseln nun darüber, ob am 21. September ein weiterer Boom folgen wird oder ob die Fed mit einer Erhöhung um einen halben Prozentpunkt bremsen wird.
Die Volkswirte der Deutschen Bank sehen in Powells Auftritt in Jackson Hole ein „Schlüsselereignis“, das neben den im September anstehenden US-Arbeitsmarkt- und Inflationszahlen Aufschluss über die Zukunft der US-Notenbank geben dürfte.
Die Fed entscheidet anhand von Daten
Powell signalisierte, dass ein weiterer großer Zinsanstieg stattfinden könnte. Vorher will er sich aber nicht festlegen, sondern die Entscheidung abhängig von den verfügbaren Daten treffen. Die Fed will dafür sorgen, dass die Inflation nachhaltig sinkt. Bis Juli hat sie sich bereits leicht entspannt, obwohl die Inflationsrate mit 8,5 Prozent immer noch meilenweit über dem Ziel der Zentralbank von 2,0 Prozent liegt. Wenn sich die Inflation im August verlangsamt, könnte die Fed zu einem langsameren Tempo der Zinserhöhungen übergehen.
Diese Richtung ist laut Konstantin Oldenburger, Marktanalyst beim Brokerhaus CMC Markets, auch im Protokoll der Zinssitzung der US-Währungsbehörden im Juli zu lesen: „Sie deuteten an, dass sich das Tempo der Anstiege verlangsamen könnte, wenn die Wirtschaftsdaten dies stützen ein Schritt.”
Die Fed strebt außerdem eine sanfte Landung an – also eine Straffung der Geldpolitik, die die Wirtschaft nicht abwürgt. Die USA sind bereits in eine technische Rezession geraten – zwei aufeinanderfolgende Quartale mit Schrumpfung der Wirtschaftsleistung. Ob die Fed in der Lage sein wird, das Geld immer weiter zu verteuern, ohne den Wirtschaftsmotor zu stoppen, ist eine offene Frage: “Meine Antwort ist, ich weiß es nicht”, gab der Distriktchef der Minneapolis Fed, Neel Kashkari, kürzlich zu. Aber es ist klar, dass die Inflation so schnell wie möglich gesenkt werden muss.
Die EZB sollte die Zinsen straffen
Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat sich diesem Ziel verschrieben, denn die Inflation in der Eurozone läuft von Rekord zu Rekord. Getrieben von hohen Energie- und Lebensmittelpreisen infolge des Krieges in der Ukraine lag die Inflation im Juli bei 8,9 %. Die EZB hat die Zinswende im vergangenen Monat mit einer überraschend kräftigen Erhöhung um einen halben Punkt auf 0,50 Prozent eingeläutet – die erste Erhöhung des Leitzinses seit elf Jahren.
Die nächste Sitzung des EZB-Rates findet kurz nach dem Symposium am 8. September statt. Anleger erwarten, dass eine zweite deutliche Zinserhöhung unmittelbar bevorsteht. Im Fokus steht daher auch der Auftritt von EZB-Direktorin Isabel Schnabel bei einer Podiumsdiskussion in Jackson Hole. Neben ihr werden mehrere Notenbankpräsidenten aus Euro-Staaten dabei sein, darunter Bundesbankpräsident Joachim Nagel. EZB-Präsidentin Christine Lagarde wird in diesem Jahr voraussichtlich nicht mit von der Partie sein.
Schnabel hat klare Signale zum Zinssatz gesendet. Der Inflationsausblick habe sich seit Juli nicht verbessert, sagte der deutsche Ökonom gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters: „Im Juli haben wir beschlossen, ihn aufgrund des Inflationsausblicks um 50 Basispunkte anzuheben. Im Moment glaube ich nicht, dass sich dieser Ausblick grundlegend geändert hat .” Sie schloss auch nicht aus, dass die Inflation kurzfristig noch weiter steigen könnte. Die Aussagen wurden an den Finanzmärkten recht klar interpretiert. „Unter dem Strich ist eine Kehrtwende der EZB vorerst unwahrscheinlich und ein Anstieg um 50 Basispunkte im September bleibt das wahrscheinlichste Ergebnis“, sagte Frederik Ducrozet, Chef-Wirtschaftsanalyst beim Vermögensverwalter Pictet.
Bank of England unter Druck
Auch jenseits des Ärmelkanals gibt es Anzeichen für steigende Zinsen. Die Londoner Zentralbank hat kürzlich die größte Zinserhöhung seit 27 Jahren vorgenommen und den Leitzins um einen halben Punkt auf 1,75 % angehoben. Sie steht weiter unter Handlungsdruck, da die Inflationsrate zuletzt die Zehn-Prozent-Marke überschritten hat. Und ein weiterer Anstieg ist aufgrund der absehbaren Erhöhung der Heizkosten infolge der Energiekrise sehr wahrscheinlich.
Die Bank of England (BoE) befürchtet, dass die Wirtschaft in eine tiefe Rezession eintreten wird und die Inflation im Oktober 13 % überschreiten wird. Laut Analyst Craig Erlam vom Maklerunternehmen Oanda dürfte die BoE am 15. September einen starken Einbruch erleben: „Nach den neuesten Inflationsdaten ist eine Zinserhöhung um mindestens einen halben Prozentpunkt wahrscheinlich eine ausgemachte Sache.“
(Reuters/Geld)