Filmfest Leipzig: Proteste bei Aufführung von “Ukraine on fire” – Kultur

Der US-Regisseur Oliver Stone (“Platoon”, “The Doors”) hat in der Vergangenheit mehrere erfolgreiche Filmepen geschaffen – “Ukraine on fire” gehört nicht dazu. Es ist eine bildgewaltige Pseudodokumentation über die Maidan-Proteste in Kiew, in der Stone als ausführender Produzent unter anderem ein sehr offenes Interview mit Wladimir Putin führt. Laut Stone ist die Ukraine nur ein mit Sonnenblumen übersätes Spielfeld für Weltmächte. Ukrainer sind entweder US-Marionetten oder radikale Nationalisten. Dass der relativ unbekannte Film auch knapp ein halbes Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs ausgerechnet in Leipzig, der Partnerstadt von Kiew, immer noch sein Publikum findet, hat damit zu tun Online-Empörung und führte am Donnerstagabend zu einer körperlichen Auseinandersetzung.

„Ukraine on Fire“ wurde im Rahmen von „Globale“ gezeigt. Das Filmfestival zeigt seit 2004 an verschiedenen Orten in Leipzig globalisierungskritische Dokumentarfilme. Gefördert wird es unter anderem von der Hilfsorganisation „Brot für die Welt“ und von der Stadt selbst. 12.000 Euro sind für 2022 gemeldet.

Leipzig: Der Film "Die Ukraine brennt" ist eine bildgewaltige Pseudodokumentation über die Maidan-Proteste in Kiew, in der Ukrainer entweder als US-Marionetten oder radikalisierte Nationalisten dargestellt werden.

Der Film „Ukraine on Fire“ ist eine bildgewaltige Pseudodokumentation über die Maidan-Proteste in Kiew, in der Ukrainer entweder als US-Marionetten oder radikalisierte Nationalisten dargestellt werden.

(Foto: imago images/Everett Collection)

Begleitet werde die Vorführung von „Ukraine on fire“, so die Sendung, von einem Gespräch mit einem Vertreter des „Aktionsbündnisses Zukunft Donbass“, das humanitäre Hilfe in den abtrünnigen Gebieten der Ostukraine leistet. Russische Kriegspropaganda ist auf den Social-Media-Kanälen des Clubs zu finden. Ein Video zeigt einen angeblich mit Krankenhausbetten beladenen Lastwagen, der durch ein zerbombtes Gebiet fährt. Hinter der Windschutzscheibe klebt eine Z-Flagge, Symbol der russischen Invasion.

Mike Nagler, Organisator und Sprecher von „GlobALE“, hat kein Problem damit, einen Film zu zeigen, der die Weltanschauung des Kreml in weiten Teilen übernimmt, in einer Zeit, in der Tausende ukrainische Flüchtlinge in Deutschland und Leipzig Schutz suchen. Stattdessen wolle man “Raum für kritischen Diskurs bieten” und Stimmen hören, “die derzeit nicht in den Medien sind”. Nagler kandidierte erfolglos als Direktkandidat für die Linke bei den Bundestagswahlen 2009 und 2013. Heute betont er, nie parteinah gewesen zu sein. Er sieht sich als Teil der Friedensbewegung und ist gegen die Abgabe von Waffen, da dies den Krieg nur unnötig verlängern würde. “Ukraine on Fire” sei nur einer von 40 Filmen, sagt Nagler. Es ist nicht gesagt, dass er mit dem Inhalt hundertprozentig einverstanden ist. Er nennt Kiew dann “das Zentrum der Rechten in Europa”. Er nennt die Maidan-Revolution 2014 einen „Putsch“.

Bei der Vorführung des Films am Donnerstag war das Interesse zunächst gering, dann gab es “gegenseitige Körperverletzung”

Als der Film am Donnerstag anlaufen soll, ist das Interesse überschaubar. Rund 30 Menschen kuschelten sich am Ufer der Elster in Decken. Der Vorspann endet, als eine Gruppe Trommler die Wiese vor dem Bildschirm betritt und skandiert: “Es gibt kein Recht auf Putins Propaganda.” Es kommt zu einer Schlägerei, eine junge Frau versucht offenbar, Nagler das Mikrofon zu entreißen, wird dann gestoßen, eine andere soll ins Gesicht geschlagen worden sein. “Geh einfach nach Hause”, ruft der Moderator. “Geh nach Russland”, ruft die junge Frau. Die Polizei muss einrücken, eine Meldung spricht von “gegenseitiger Körperverletzung”.

Anna Perepechai gehört zu den Demonstranten und ist Teil des „Ostov Collective“, einer Vereinigung deutscher und ukrainischer Künstler, die gerade eine Ausstellung beendet haben. Perepechai kam 2014, kurz nach der rechtswidrigen Annexion der Krim, nach Deutschland und studierte Fotografie in Leipzig. Sie organisiert Flüchtlingshilfe und dokumentiert Demonstrationen. Ihre Eltern leben noch in einer kleinen Stadt in der Nähe von Tschernihiw, sagt sie. Sein Vater starb kürzlich, weil die Familie unter russischem Beschuss kein Krankenhaus erreichen konnte. „Ich war auf dem Maidan“, sagt Anna Perepechai, ich habe alles mit eigenen Augen gesehen. “Ich bin keine Marionette, ich bin kein Nationalist.”

„Brot für die Welt“ klärt jetzt aufDer umstrittene Film wurde bei der Bewilligung der Mittel nicht ins Programm aufgenommen. Die zukünftige Finanzierung wird daher kritisch gesehen. Auch die Stadt Leipzig zieht ein eine Aussage auf Twitter. “Aber wir respektieren die Freiheit der Kunst und fördern sie. Anders als ein autoritäres Regime kann eine Demokratie die Vorführung eines Films mit zweifelhaftem Inhalt tolerieren.” Auf die Frage, ob die Förderung Bestand habe, sagte der Stadtsprecher der SZ: „Ein Festival, auf dem die Schläge stattfinden, hat natürlich ganz andere Rahmenbedingungen, was die städtische Förderung angeht.“

Der Filmabend selbst, man könnte es für einen glücklichen Zufall halten, endet nicht mit der geplanten Diskussion, sondern mit einem kräftigen, erfrischenden Regen.

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