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Die Fotografien von Arno Rafael Minkkinen befinden sich in den Sammlungen des MoMa im Centre Pompidou. Nun zeigt das Kunstfoyer München Minkkinens fantastische Fotokunst. Absolut sehenswert!
Arno Rafael Minkkinen hat kürzlich ein bezauberndes Foto gesehen. Dann eine Brücke, getaucht in das leuchtende Orange eines Sonnenuntergangs, den die künstlerische Natur nicht schöner hätte hervorrufen können. In der Mitte befindet sich außerdem ein Vogel, der genau im richtigen Moment am Objektiv des Fotografen vorbeiflog. Groß! Minkkinen, Spezialist, gratulierte seinem Kollegen zu diesem fantastischen Foto. Und die? Stolz erzählte ich ihm, dass ich den Vogel später zum Computer hinzugefügt hatte. Diese Offenbarung muss Arno Rafael Minkkinens Kopf aussehen lassen wie der Vogel, der direkt vor seinen Augen gegen die Wand schlägt. In den Computer eingefügt? Es widerspricht allem, woran dieser Mann glaubt.

Seit mehr als fünf Jahrzehnten geht der heute 77-Jährige an seine körperlichen Grenzen, um unverfälschtes Bildmaterial aufzunehmen. Keine Assistenten, kein Photoshop. Wer das Kunstfoyer der Bayerischen Versicherungskammer in München betritt, erlebt, wie die Wahrheit aussieht. Der Künstler selbst ist in der Stadt, um an der Eröffnung seiner bisher größten Einzelausstellung teilzunehmen. Sichtlich berührt geht er mit Ihnen durch die Räume. Ein großer, dünner alter Mann mit einem Stock. Wenn Sie an der Wand nach rechts blicken, sehen Sie denselben Mann in abstruser Höhe an einem Felsen hängen. Oder komplett im Schnee versunken, nur mit einem nackten Bein und einem herausgestreckten Arm. Das ist keine 50 Jahre her, sondern 2016. „Man kann es nicht sagen, aber körperlich bin ich immer noch ziemlich knallhart“, sagt er schmunzelnd.
Und mutig. Hat er Angst vor Aktionen wie 1997 in Utah, als „Hite“ entstand? Alles, was Sie sehen, sind ihre Beine an den Knien, nach vorne gebeugt, ihre Füße am Rand eines bedrohlich hohen Felsens. Kurz vor dem freien Fall. Was immer er tat, er musste es tun. „Ich habe in der Nacht vor diesen Aktionen Angst. Aber der Wille des Fotos ist stärker.“ Kopf sagt: Nein. Herz schreit: Ja!
Arno Rafael Minkkinen verwendet nie Photoshop
Herz steckt in all deinen Bildern. Für die Natur, für unseren Planeten, für Aufrichtigkeit. Weil Fotos gemacht werden, um die Realität abzubilden. Die Wunder und Schrecken dieser Welt. Es stimmt, dass die Polkappen schmelzen. Es stimmt, dass Kinder in Kriegen sterben. Es stimmt, dass Tiere für billiges Fleisch gequält werden. All dies ist wahr. Aber es ist einfacher, das zu ignorieren. Wir sagen dann: alles gefälschte und retuschierte Fotos. Genau deshalb sind die Arbeiten von Arno Rafael Minkkinen so wichtig. Denn sie geben uns den Glauben an die Authentizität der Bilder zurück. Und schauen wir nochmal und lassen uns überraschen.
Warum die Frage nach dem „Wie“? schwebt immer im Raum. Zum Beispiel, wenn auf einem Foto nur drei Ihrer Finger auf einer Holzoberfläche zu sehen sind. Wo sind bitte die anderen beiden? Und der Rest des Körpers? Dann lächelt er. Und schweigen. Wie ein Zauberer, der sich Sorgen macht, dass die Magie verloren geht, wenn er den Trick enthüllt. Nur so viel: Minkkinen hat sich bei seiner Arbeit oft selbst in Gefahr gebracht. Deshalb setzt er fast immer auf Selbstporträts: Er kann einfach nicht die Verantwortung dafür übernehmen, das Leben anderer Menschen zu riskieren.
Der Tod ist auch ein Thema in den Selbstporträts von Arno Rafael Minkkinen
Die Fotos führen den Betrachter durch rund 30 Länder. Unterschiedliche Herkunft, gleiche Person. Nackt. Nicht, weil der finnisch-amerikanische Künstler Nudist ist. Kleidung würde die Bilder in der Zeit platzieren. Aber was er schaffen will, muss veraltet aussehen. Es ist eine Reise durch Zeit und Raum. Die Kamera bewegt sich, der Körper ist derselbe. Aber auch das stimmt: Er wird älter. Er wird sterben. Minkkinen hat bereits für ein Foto geprobt, auf der Wasseroberfläche treibend. Die Bildunterschrift lautet: „Dead Man Swimming“ (2021). Humor, ein weiterer wichtiger Aspekt in seiner Arbeit.

Dieser erst junge, dann gealterte Körper fügt sich in die Natur ein, schmiegt sich an. Manchmal so sehr, dass man die Person erst auf den zweiten Blick erkennt. Dann wird die Ausstellung zum Wimmelbildspiel. Die Bäume am Ufer des finnischen Sees sehen zum Beispiel aus wie drei normale Birken. Aber wenn Sie genauer hinschauen, werden Sie sehen, dass ein Rüssel eigentlich das Bein des Fotografen ist. Er hat den Drücker im Mund, die teils künstlerischen Inszenierungen ohne Assistenten umsetzen zu können.
Auf manchen Fotos sieht es so aus, als wolle er die Welt umarmen. all the beauty Indem sie sich selbst als Teil davon inszeniert, erinnert uns Minkkinen auf sehr sinnliche Weise daran, dass auch wir Natur sind. “Also muss man sich fragen: Warum zerreißen wir uns selbst?”
Bis 27. November 2022 im Kunstfoyer München, Maximilianstraße 53, täglich von 9:30 bis 18:45 Uhr, Eintritt frei mit Reservierung hier. Katalog: “Minkkins”. Kehrer Verlag, 330 Seiten mit 288 Abbildungen; 75 Euro.