Fotokunst in Starnberg: Ina Kohlskovskys verstörende Fotoarbeiten – Starnberg

Es ist eine Vitrine, die in jedem alten und etwas verstaubten Heimatmuseum zu finden ist. Dunkelbraunes Massivholz, dreiseitig verglast, die Seiten nach vorne geneigt – und über dem guten Teil steht auf einer Messingplatte “Schaukasten 4”. Man könnte vermuten, es seien Erinnerungsstücke aus einer barocken Kuriositätenkammer, Exponate aus vergangenen Jahrhunderten, vielleicht sogar ein alter Mammutzahn oder ausgestopfte Tiere – aber keineswegs das, was in der über 100 Jahre alten Kiste im Museum Starnberger See zu sehen ist. Die Vitrine ist für ein Jahr eine Bühne für moderne Kunst. Zwölf Künstler können die Vitrine einen Monat lang nach Belieben füllen.

Fotokunst in Starnberg: Bietet ein Zuhause für Künstler in Bewegung: die "Vitrine 4" im Starnberger Museum.

Er bietet bewegenden Künstlern ein Zuhause: der „Schaukasten 4“ im Museum Starnberg.

(Foto: Nila Thiel)

„Das ist eine Herausforderung für Künstler“, sagte Annette Kienzle auf der Vernissage, eine von vier Kuratorinnen (neben Elisabeth Carr, Katja Sebald und Ulrike Prusseit), die Aussteller vorschlagen konnten. Trotz oder gerade wegen des krassen Gegensatzes zwischen altem Kabinett und neuer Kunst nahmen alle Eingeladenen begeistert teil.

Kohlskovsky ließ sich von der Fotoausstellung des Nachlasses der Fotografenfamilie Starnberg Wörsching inspirieren

Im August gehören die Regale Ina Kohlskovsky. „Das ist eine große Chance für mich“, sagte der 1959 geborene Maler und Träger des Starnberger Kunstpreises. Sie nannte ihre Mini-Ausstellung „The Second Reversal“. Inspiriert wurde sie von der Fotoausstellung der Fotografenfamilie Starnberg Wörsching. Es zeigt die alten und analogen Starnberger Fotos sowie die Glasnegative. Die Serie kleiner, zerklüfteter schwarz-weißer Postkartenidyllen geht nahtlos in Kohlskovskys Landkarten über – ebenfalls in Schwarz-Weiß, aber fotorealistisch in Öl gemalt. Sie haben den gleichen Rahmen, sie haben das gleiche Format wie die Wörschinger Fotos, aber bei näherer Betrachtung zeigen sie beängstigende Szenarien: Landung von Flüchtlingen in Schlauchbooten, die im Starnberger See sinken, zwei Atomreaktoren am Ufer des Sees, das „Atoll „Roseninsel mit einem Atompilz und unter der Aufschrift „Grüße aus Starnberg“ taucht vor der Kulisse der Stadt ein U-Boot auf.

Fotokunst in Starnberg: Dieses Bild trägt den Titel "Herren in Starnberger Tracht am See".

Dieses Bild trägt den Titel “Männer in Starnberger Trachten am See”.

(Foto: Georgina Treybal)

Fotokunst in Starnberg: Verstörender Anblick: Auf diesem Foto der Votivkapelle brennt der Schlosspark in Leoni.

Verstörender Anblick: Auf diesem Foto der Votivkapelle brennt der Schlosspark in Leoni.

(Foto: Georgina Treybal)

Die Fotoserie endet im Fenster. Darin sind Glasnegative zu sehen, in denen jedoch positive Idyllen der Seenlandschaft, der Bergkulisse und der Natur zu sehen sind. In der analogen Fotografie ist das Negativ der Ausgangspunkt, von dem aus sich ein positiver fotografischer Eindruck entwickelt. Das Fenster zeige Negative, die ein positives Motiv enthalten, erklärt der Maler. “Der Inhalt des Negativs stellt etwas Positives dar, eine Idylle, Landschaften hier am Starnberger See in ihrer ganzen Pracht und Schönheit.” Kohlskovsky nennt den inhaltlichen und materiellen Wechsel zwischen Negativ und Positiv “die zweite Umkehrung”. Sie sollen zum Nachdenken anregen: “Was wäre, wenn das alles vor unserer Haustür passiert wäre?”

Zur Vernissage lud Kuratorin Annette Kienzle außerdem Max Wagner aus Starnberg und Rosemarie Zacher aus Gautingen ein, ihre beiden weiteren Vorzeigebeispiele für die Monate September 2022 und März 2023. Rosemarie Zacher, die den ersten Kunstpreis der Stadt Starnberg gewonnen hat und jetzt der Kulturpreis im Landkreis Starnberg, schwärmte: „Die Vitrine passt perfekt zu mir“. Es wird Kunstwerke zeigen, die es vor der Pandemie geschaffen hat, sagte er vage. Sogar Max Wagner wurde noch gedeckt. Nur so viel: Es wird organische Formen geben, die unterschiedlich interpretiert werden können.

Fotokunst in Starnberg: "Prozession auf der Schlossbrücke".

“Prozession auf der Schlossbrücke”.

(Foto: Georgina Treybal)

Fotokunst in Starnberg: "Teilnehmer an einem Motorradrennen am Kreisverkehr".

“Teilnehmer eines Motorradrennens am Kreisverkehr”.

(Foto: Georgina Treybal)

Fotokunst in Starnberg: "Strandpromenade mit Segelbooten und Undosa".

“Maritime Tour mit Segelbooten und Undosa”.

(Foto: Georgina Treybal)

Die alte Vitrine gehört zu den wenigen Stücken, die noch zur Originalausstattung des Heimatmuseums gehören. Jahrelang lagerte es im Schwerlastlager der ehemaligen Feuerwache in Söcking und wurde 2014 anlässlich der Ausstellung „100 Jahre Museum“ außer Dienst gestellt. Es wurde überarbeitet, erhielt eine neue Rückwand, die alten Fenster wurden mit den typischen Einschlüssen belassen.

Als Ergänzung zur Schaufenstergestaltung nutzte Kohlskovsky auch den von ihm so genannten „Dark Room“, passend, weil dort seit einigen Jahren das Schaufenster zu sehen ist. In der alten Malstube, einem Anbau zwischen Alt- und Neubau, hängen zwei Gemälde. “Letzte Chance” heißt das Foto, auf dem ein älterer Mann vorgebeugt eine rot gekleidete Frau ansieht, die kopfüber im Wasser steckt. Kohlskovsky verrät, dass er das Bild der Frau einst in Originalgröße gemalt hat. Leuchtendes Gelb kombiniert mit Grautönen werden durch den dunkel gestrichenen Raum betont. „Dieser Raum würde eine großartige Galerie abgeben“, schwärmte sie.

Das „Schaufenster 4“ mit den wechselnden Inhalten kann während der Öffnungszeiten des Museums Starnberger See in der Possenhofener Straße 5 in Starnberg besichtigt werden.

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