Ausstellung
Unermüdlich selbstdokumentarisch: Rinaldo Wälti zeigt Schwarz-Weiss-Fotos, Siebdrucke und ein Video von Lützerath auf der Baliere Frauenfeld
„A Collective Disaster“ heißt die neue Schau in der Stadtgalerie Baliere, die am 3. Februar ihre Vernissage feiert. Der junge Autodidakt Rinaldo Wälti wechselt zwischen verschiedenen Medien und zeigt Kunst mit politischer und poetischer Aufladung.

Installation mit Erde, Video und Soundcollage. Neben ihm Rinaldo Wälti auf dem Besen.
Er braucht das Unbeständige. “Irgendwann werde ich mich sicher fühlen. Da ist die Gefahr groß, dass mir langweilig wird”, sagt Rinaldo Wälti. Der 27-Jährige stammt aus Aadorf und verbrachte seine Jugend unter anderem in den Kulturräumen von Frauenfeld in Winterthur , wo er das Atelier Lüthi betreibt, wo junge Künstler Ateliers finden, und sein Atelier Strange Habits, das seine Anfänge in Wältis Textilarbeiten hat, ist Wälti rastlos und äusserst konzentriert auf seine künstlerische Arbeit.

In der Ausstellung von Rinaldo Wälti.
In der Stadtgalerie zeigt er etwas mehr als ein Dutzend Serigraphien, rund 40 Schwarz-Weiß-Fotografien und verschiedene Installationssituationen im Raum. Die analogen Fotografien, die Wälti selbst entwickelt, sind stark kontrastreich. Die Siebdrucke sind feiner und, wie er selbst sagt, außerordentlich farbenfroh. Wälti arbeitet seit langem in diesem Medium, meist im Textilbereich. In jüngster Vergangenheit lebte der gelernte Tischler auch von seinen Kleiderkollektionen. Die Fotografie hingegen ist ein künstlerisches Ventil. Er sagt:

Die Show “A Collective Disaster” in der Baliere.
«Siebdruckarbeiten sind durch die Möglichkeiten eines Kleidungsstücks begrenzt.»
Vor einem Jahr begann er, sich intensiv der analogen Fotografie zu widmen. Er brauche die Herausforderung, sagt Wälti. Die analoge Fotografie treibt Sie an, weil sie schwer planbar ist. Das Ergebnis sieht er erst während der Entwicklung. Es sind Momentaufnahmen, sehr selten inszeniert. Was ihn berührt und bewegt, daran klammert er sich. Die Motive haben ein poetisches Moment, aber es ist immer noch roh. Vielleicht kommt es von der Straßenkunst, die er gemacht hat.

Eine Installation in der neuen Ausstellung in Baliere.
Er schätzt die Nische

Zwischen Siebdruck und Fotografie.
Siebdrucke stammen aus der Schwarz-Weiß-Fotografie. Wälti entnimmt den Fotos Elemente, manchmal auch Details, arrangiert sie neu, verfremdet sie zu etwas Ornamentalem oder stellt sie in unbekannte Kontexte. Wälti verwendet immer wieder das Wort Nische. Es zeigt Nischen mit und in Ihren Fotos. Ihn fasziniert das Triviale, was viel weniger interessiert. Also schätzt er diese Nischen.

Rinaldo Wälti dementiert Balieres neue Show «A Collective Disaster».
Durch den Kontext, in dem die Motive entstanden sind, generiert Wälti einen Mehrwert für sich. In der Literaturwissenschaft würde man von der Intention des Autors sprechen. Für ihn ist es aber keineswegs zwingend, dass man beim Lesen die Intention dieses Autors erfahren, geschweige denn wissen will. Deshalb bleibt Wälti fragmentarisch und sogar dokumentarisch.

Derzeit in der Galerie der Stadt Baliere.
Kunstvoll verarbeiteter Lützerath-Widerstand

Ein Siebdruck von Rinaldo Wälti
Wälti überrascht immer wieder mit dieser Poesie voller Leerstellen. Gleiches gilt für die Zufahrt nach Lützerath, einem Dorf in Nordrhein-Westfalen (Deutschland), das für den Ausbau des Braunkohletagebaus komplett abgerissen wurde. Lützerath ist für Wälti ein Sinnbild für politische Unruhen und die Rückeroberung des öffentlichen Raums. Die Fotos sind subtil, als er letzten Sommer dort blieb und sich der Bewegung anschloss.

Installation mit Stacheldraht.
Das gleiche passiert mit der Videoinstallation auf einem Erdhügel, der mit dem roten Licht der Scheinwerfer beleuchtet wird. Dazu kommt eine Soundcollage (vom Frauenfelder Musiker Peter Kradolf) mit Fragmenten von Demonstrationsparolen und Polizeidurchsagen. Wälti filmte mit einer Handykamera durch ein Fernglas. Die riesigen Bagger im Bergbaugebiet scheinen in einer anderen Welt zu sein. Gleichzeitig half der Künstler bei der Bewirtschaftung eines Gemüsegartens in Lützerath, der zehn Meter vom Abgrund des Tagebaus entfernt lag. Darauf bezieht sich eine weitere Installation mit Drahtzaunrollen und dem Textelement „Keine Autorität hat mich je am Wert meines eigenen wachsenden Gartens zweifeln lassen“.
Rinaldo Wälti «Ein kollektives Desaster».
Vernissage: 3. Februar, 19 Uhr. Bis 19. Februar. Freitag von 17:00 bis 22:00 Uhr; Samstag, 14.00 bis 22.00 Uhr; Sonntag, 14 bis 20 Uhr. Stadtgalerie Baliere, Frauenfeld.
www.baliere-frauenfeld.ch
Instagram: @strangehabits_studio