Die Pausenverpflegung ist zunächst eher eine logistische als eine kulinarische Herausforderung, der nur wenige Theater, Opernhäuser und Festivals gewachsen sind.
Richard Wagner, „Die Walküre“, Anfang des ersten Aktes: Laut Regieanweisung hebt Siegmund „plötzlich den Kopf“: „Ein Brunnen! Eine Fontäne!” Sieglinde „schnappt sich schnell ein Horn“ und verlässt das Haus („Hundings Hütte“). Sie kommt zurück und überreicht Siegmund den vollen Behälter: “Ich kann für Erfrischung sorgen.” Während er trinkt, fährt sie fort: „Ich biete Erfrischung für den durstigen Gaumen: Wasser, wie du willst.“ Rund vier Stunden dauert eine Aufführung von „Walküre“, Teil zwei der Nibelungenringe, ob in Bayreuth oder anderswo – flüssige Musik pur. Nach dem ersten und zweiten Hub gibt es normalerweise eine Pause. “Touch”-Pausen sind immer länger als normale Pausen, normalerweise eine Stunde oder länger. In dieser Zeit ist es wichtig, den hungrigen Gaumen und den knurrenden Magen zu erfrischen.
Wir sind in einem obskuren Kapitel angelangt, der sogenannten Pausengastronomie. Das stellt sich zunächst eher als logistische als als kulinarische Herausforderung dar, der nur wenige Theater, Opernhäuser und Festivals gewachsen sind. Denn Pausenverpflegung ist die Hauptverkehrszeit schlechthin. Bei Die Walküre zum Beispiel muss sich das Personal eine gute Stunde totschlagen, bevor sich die Saaltüren öffnen und je nach Größe des Theaters mehrere tausend Menschen auf einmal an die Buffets strömen. Lange Schlangen, Gedränge und schlechte Laune sind vorprogrammiert.
Wenn man nach langem Warten endlich einen Teller mit meist überteuerten Lachsbrötchen und ein Glas Sekt bekommt, der preislich einem glatten Hostel mit Animateuren in nichts nachstehen würde, heißt es Beute, Aperitifs rein Einerseits, Sekt in der anderen, das Programm unterm Arm oder zwischen den Zähnen, balancierend durch eine Menschenmenge, die sich ständig drängt und schubst, bis man einen halbwegs ruhigen Ort erreicht.
“Geheimtipp am Festspielhügel”
Spätestens kulinarisch, wobei man nicht glauben sollte, dass die dünnen Scheiben Weiß- oder Vollkornbrot, oft belegt mit schäbigem Käse, Schinken oder Lachs, zusammen mit der Beilage richtig satt machen können. Danach braucht man in der Regel ein Stück Kuchen und eine Tasse Kaffee, was einem den Preis einer vollwertigen Mahlzeit in einem gehobenen Restaurant einbringt. Bei den Salzburger Festspielen kann man sich zur Not den Magen mit Mozartkugeln füllen, die leider nicht aus der Konditorei Fürst stammen, die behauptet, sie erfunden zu haben, sondern aus irgendeiner Manufaktur, daher geschmacksneutraler und noch trockener, die wiederum macht es notwendig, eine Flasche Wasser in Flaschen zu kaufen. Wenn genügend Zeit vorhanden ist, können Sie natürlich versuchen, sich auf benachbarte Standorte auszudehnen, obwohl das Stoppen außerhalb des Geländes immer ein Wettlauf gegen die Zeit ist.
Das weitab vom Stadtzentrum gelegene Bayreuther Festspielhaus hat natürlich auch eine eigene Küche, die sich dieses Jahr in einem neuen und zeitgemäßen Look präsentiert. Das bisherige Restaurant des Festivals wird in „Festival Garden“ umbenannt und verfolgt laut Mitteilung ein „Smart-Food-Konzept“. „Hier wird der Gast mit kleinen Portionen Genuss verwöhnt, gesund und durchdacht und regional bezogen – von Kuchen über Vorspeisen, Hauptgerichte und Desserts“, heißt es in extravaganter Manier in einer Lokalzeitung. Das ehemalige Selbstbedienungsrestaurant rechts vom Festspielhaus fungiert heute als „Green Hill Kitchen“ und bietet ebenfalls „Smart Food“ zum „All-Inclusive-Preis“. Die Freiluftgastronomie links vom Festspielhaus bietet einen „Walk of Fame“ mit mehreren gastronomischen Stationen. Hier gibt es die beliebte Festtagsbratwurst, eine Festtagsbrezel oder „das neue Hörnchen des Festes“. Ergänzt wird das Konzept durch mehrere To-Go-Stände unter dem Namen „Wagner-To-Go“.
Wem das alles zu viel ist, der hat die Möglichkeit, ins Bürgerreuther Freibad zu flüchten, das von den Stadtwerken Bayreuth als „Festspiel-Tipp“ beworben wird. Es hat kein Schwimmbad, aber eine berühmte Kneippanlage, wo man sich nach hitzigen Diskussionen über mögliche Fahrunfälle abkühlen kann, sowie einen praktischen Kiosk, an dem unter anderem in heißem Wasser gekochte Würstchen zu regulären Preisen feilgeboten werden . Eine etwas leichtere Variante fränkischer Bratwürste, die meist gebraten oder gegrillt werden, aber mit einem Brötchen und Senf oder Tomatenketchup auch ganz schön sättigen. Leider schließt das Bad bereits um 20 Uhr, weshalb dieses Angebot meist nur in der ersten Pause genutzt werden kann.
Wer glaubt, nach dem Auftritt in Bayreuth noch etwas zwischen den Zähnen zu haben, der irrt. Kürzlich erzählte mir ein kulinarischer Freund von einer misslungenen Odyssee nach einem Auftritt des „Fliegenden Holländers“, die nicht weniger als die Odyssee des Geisterkapitäns war und ihn beinahe bis vor die Tore einer Dönerbude geführt hätte, deren Schwerstarbeit das Personal offenbar zu verdanken hatte die einzigen in der ganzen Stadt, die spät nachts noch bereit sind, etwas Essbares zu verteilen.
In München hat es eine gute Tradition, sich bei den „Ring“-Aufführungen von Mitgliedern der eigenen Sippe oder Freunden bedienen zu lassen. Körbe mit Gläsern, Geschirr, allerlei Speisen und Getränken können Sie sich bis zur Opernhaustreppe liefern lassen, wo Sie in geselliger Runde sitzen und essen. Andere lassen sich auf einer Steinbank nieder, die an der Front der Münchner Residenz bis zum Max-Joseph-Platz verläuft. Hier herrscht fast eine Glyndebourne-Picknick-Atmosphäre, nur ohne den englischen Rasen. Dies ist eine schicke Art, Theaterrestaurantbesitzer zu täuschen.