Tausende Unternehmen können derzeit ihre Ausbildungsstellen nicht besetzen. Angesichts dieses Auszubildendenmangels machen Arbeitgeber nun auf gesetzliche Vorgaben aufmerksam, um allen potenziellen Auszubildenden einen Ausbildungsplatz zu garantieren. „Wir brauchen keine staatliche Praktikantengarantie – wir brauchen Praktikanten. Die Politik ignoriert die Demografie – die Unternehmen stehen vor einer immensen Herausforderung“, sagte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Süddeutsche Zeitung. Die Ampelkoalition hatte in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, sie wolle „eine Ausbildungsgarantie, die allen jungen Menschen den Zugang zu einer voll qualifizierten Berufsausbildung ermöglicht“. Die Details sind noch unklar. DGB und SPD fordern seit Jahren einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung. Ist dies in einem Unternehmen nicht möglich, muss es in anderen Einrichtungen erfolgen.
Der DGB argumentiert, dass bereits vor Corona mehr als 80 % der Betriebe nicht ausgebildet hätten und die Zahl der Stellenangebote während der Pandemie gesunken sei. Gewerkschafter fordern einen Fonds, den alle Unternehmen bezahlen müssen und aus dem Ausbildungsplätze finanziert werden. Der BDA lehnt eine solche Gebühr strikt ab. Laut einer Bewerbungsunterlage des BDA, die am Donnerstag an die beteiligten Ministerien und Fachpolitiker verschickt werden sollte, mangelte es nicht an Ausbildungsstätten, aber an geeigneten Kandidaten. Mittlerweile wurden mehr Ausbildungsstätten gemeldet als vor Corona, und in 13 der 16 Bundesländer gibt es deutlich mehr Ausbildungsstätten als Bewerber. In Nordrhein-Westfalen und Hessen gibt es dagegen einige und in Berlin deutlich mehr Bewerber als freie Plätze. „Eine Gebühr würde vor allem Unternehmen benachteiligen, die keine Praktikanten aufnehmen, obwohl sie Praktikanten suchen. Das sind meist kleine und mittelständische Unternehmen“, sagte Kampeter. Es gibt 120.000 Stellen mehr als Bewerber, “warum brauchen wir einen zusätzlichen Anreiz?”
Die Ziegelproduktion ist weniger verlockend
Das Hauptproblem besteht laut BDA darin, dass junge Menschen sich oft gar nicht bewerben, sondern ein Praktikum in ihrem Traumberuf machen wollen. Einige Beispiele dafür finden sich in den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit: So gibt es im beliebten Beruf Tierpfleger neunmal mehr Bewerber als offene Stellen, in der Fototechnik und Fotografie gibt es drei gute Kandidaten auf eine Stelle, und in Szenografie und Kostümen für zehn Praktikanten.
Weniger attraktiv für Jugendliche ist hingegen die Ziegel- oder Bodenplattenherstellung: Hier verzeichnet die Arbeitsagentur 8,48 Jobs pro Bewerber, ähnlich sieht es bei der Textilproduktion aus (5,7 Jobs pro Bewerber). Eine Ausbildungsplatzgarantie müsste laut BDA mehr Arbeitsplätze in beliebten Berufen bieten – und das würde ein Problem schaffen. „Eine gesetzliche Ausbildungsgarantie wäre ein falsches Signal: Man bekommt den gewünschten Ausbildungsplatz, auch wenn man später kaum Chancen auf einen Arbeitsplatz hat“, sagte Kampeter.
Eine Umfrage unter fast 15.000 Unternehmen zeigt, wie schwierig es für deutsche Unternehmen ist, Praktikanten zu finden. Mehr als vier von zehn Unternehmen konnten im vergangenen Jahr nicht alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzen, wie aus einer am Donnerstag vorgestellten Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) hervorgeht. Mehr als ein Drittel dieser Unternehmen hat keine einzige Bestellung erhalten. „Noch nie war es für Unternehmen so schwierig, Praktikanten zu finden“, sagt DIHK-Stellvertretender Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. Besonders viele Stellen blieben im Gastgewerbe (67 % konnten nicht alle Ausbildungsstellen besetzen) und im Transport- und Logistikwesen (54 %) unbesetzt.