Meinl – wächst im Lebensmitteleinzelhandel

Seit Beginn der Corona-Pandemie gehört der Lebensmittelhandel als systemrelevante Branche zu den wenigen Gewinnern der Krise. Ein guter Zeitpunkt, um in diesen erfolgreichen Vertriebskanal zu expandieren? Der österreichische Kaffeeröster Julius Meinl will es versuchen. Ela Saleh (im Bild), Geschäftsführerin von Julius Meinl Deutschland, erklärt im Interview mit LP, warum Meinl eine eigene Kaffeebohnenlinie für den deutschen Markt kreiert hat und welches Produkt in den Regalen landen könnte.

Julius Meinl wird in über 70 Ländern weltweit verkauft. Der Schwerpunkt liegt auf der Gastronomie. Die Marke expandiert nun in den deutschen Lebensmitteleinzelhandel. Da?
Ela Saleh: Wir sind mit Julius Meinl bereits erfolgreich im Lebensmittelhandel in Österreich, Rumänien und Kroatien vertreten. Deutschland ist einer der größten Kaffee-Einzelhandelsmärkte in Europa und Kaffee ist das meistkonsumierte Getränk der Deutschen. Julius Meinl ist bereits in rund 1.200 deutschen Cafés, Restaurants und Hotels erfolgreich vertreten. Wir wollen die Wiener Kaffeekultur – die übrigens von der Unesco als immaterielles Erbe der Menschheit anerkannt ist – nun auch in die Privathaushalte der Deutschen bringen. Und wir sehen auch einige Synergieeffekte.

Meinl startet mit einer komplett neuen Linie. Die Synergieeffekte liegen also vor allem im Marketing?
Ja, aber nicht nur. Die eigens für den deutschen Markt kreierte Kaffeebohnenlinie „Vienna Collection“ aus Rainforest-Alliance-zertifizierten Qualitätsbohnen hat selbstverständlich auch eine sensorische Differenzierung. Seit 160 Jahren röstet Julius Meinl auf Wiener Art, dieses Rösterlebnis steckt in allen Produkten der Marke.

Kaffee und Verbraucher

  • 33,8 % genießen ihren Kaffee regelmäßig aus einem Vollautomaten.
  • 48,9 % trinken Filterkaffee.
  • 20,9 % vertrauen der Kapselmaschine.
  • 17,3 Prozent in löslichem Kaffee.

Warum brauchte der deutsche Lebensmitteleinzelhändler ein eigenes Produkt?
Wir wollten ein Produkt schaffen, das perfekt auf die Bedürfnisse und den Geschmack des deutschen Verbrauchers abgestimmt ist: von der Verpackung bis zur Röstung. Gleichzeitig wissen wir als österreichisches Unternehmen mit 160-jähriger Geschichte, wie man Wiener Röstung am besten erlebt.

Warum kommt die Veröffentlichung jetzt?
2019 habe ich die Geschäftsführung in Deutschland übernommen. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits erste Überlegungen. Aufgrund des Markttrends zur Premiumisierung und der wachsenden Zahl an Kaffeevollautomaten in deutschen Haushalten war es nur eine Frage der Zeit, bis wir den Schritt in den Einzelhandel wagen. Vor etwa einem Jahr haben wir die Entscheidung getroffen, nach Deutschland zu gehen.

Welche Rolle spielte die Pandemie?
Der Start erfolgte unabhängig von der Pandemie.

Meinl startet mit rund 300 Anzeigen in Deutschland. Was ist das nächste?
Aktuell sind wir in Bayern bei Tegut, V-Markt und Globus gelistet. Diese wollen wir bis Ende 2022 ausweiten.

Und die Rabatte?
Derzeit ist keine Listung geplant.

Das Premium-Segment wächst, ist aber auch hart umkämpft. Warum sollten Händler der Marke Julius Meinl vertrauen?
Wir haben uns den deutschen Markt sehr genau angeschaut: Viele Deutsche steigen derzeit auf ganze Bohnen um und investieren in einen Vollautomaten. Die Nachfrage nach hochwertigen Kaffeeprodukten im Einzelhandel macht mehr als 20 % des Marktes aus und wächst stetig. Während sich die italienische Art des Kaffeetrinkens am ehesten in einem schnellen Espresso widerspiegelt, bedeutet Wiener Kaffeekultur genussvolles Trinken. Das Motto: Genieße diesen Moment! Und genau da sehen wir noch Potenzial im deutschen Lebensmitteleinzelhandel.

Und die anderen Zubereitungsarten?
Ich möchte an dieser Stelle keine der Zubereitungsarten komplett ausschließen. Wir können uns gut vorstellen, als nächstes mit unserer Zero Waste Kapsel aus 100% abbaubarem Material auf Basis nachwachsender Rohstoffe im deutschen Lebensmitteleinzelhandel zu starten.

Kompostierbare Kapseln haben in Deutschland in letzter Zeit viel Kritik geerntet.
Ich sage immer: Jeder Schritt in die richtige Richtung ist ein richtiger Schritt. Wenn Julius Meinl ein Produkt auf den Markt bringt, kann sich der Verbraucher darauf verlassen, dass die Kapsel hält, was sie verspricht. Dazu gehört beispielsweise auch, dass die Leichen zukünftig im Haushaltskompost verrotten.

Warum ist die Verpackung der deutschen Kaffeebohnenlinie aus Plastik?
Beim Geschmack wollen wir keine Kompromisse eingehen. Mit jedem unserer Produkte. Wir machen lieber eine Extrarunde und bringen nur dann ein Produkt auf den Markt, wenn wir den vollen Geschmack unseres Wiener Bratens garantieren können. Es ist jedoch unser langfristiges Ziel, nachhaltige Verpackungsmaterialien in all unseren Produkten zu verwenden und so verwenden wir bereits jetzt die bestmögliche Lösung, die alle Kriterien erfüllt.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit für Julius Meinl?
Ein großer. Die meisten unserer Produkte sind Rainforest Alliance-zertifiziert, so auch das Kaffeebohnen-Sortiment für den deutschen Lebensmitteleinzelhandel. Bis 2025 wollen wir die lückenlose Rückverfolgbarkeit unserer Rohstoffe gewährleisten. Wir arbeiten daran, unsere Produktion auf erneuerbare Energien umzustellen. Um nur einige Punkte zu nennen. Details veröffentlichen wir in unserem Nachhaltigkeitsbericht.

Um den Erfolg in Deutschland voranzutreiben, muss das Vertriebs- und Marketingteam ausgebaut werden. In welcher Erweiterung?
An unserem Hauptsitz in Düsseldorf gibt es seit einiger Zeit ein erfahrenes Außendienstteam, das nun durch Mitarbeiter mit Erfahrung im Lebensmitteleinzelhandel ergänzt wird. Mit mir arbeiten 24 Menschen am Erfolg der Marke in Deutschland. Natürlich mit Unterstützung Österreichs!

Wird es Werbeaktionen am PoS geben?
Ja, Verkostungen gibt es bereits, denn wir wollen die Wiener Röstung vor Ort erlebbar machen. Steigern wir es. Darüber hinaus planen wir derzeit ein Rückerstattungsprogramm.

Foto: Ela Saleh gründete 2017 die erste Julius Meinl-Filiale in Asien. 2019 übernahm sie die Geschäftsführung in Deutschland.

Röstkaffee: Erfolgreich im Lebensmittelhandel

Nach einem starken Jahr 2020 ist der deutsche Kaffeemarkt laut dem Deutschen Kaffeeverband 2021 erneut gewachsen. Die positive Entwicklung ist vor allem auf den gestiegenen Absatz von Röstkaffee im Lebensmitteleinzelhandel zurückzuführen. Das Homeoffice und der Lockdown ließen den Verbrauch zu Hause um 2,1 % (7.900 Tonnen mehr) steigen.

Das allgemeine Außer-Haus-Segment verlor 5,7 % (5.800 Tonnen weniger Röstkaffee) im Vergleich zum Vorjahr. Die größten Verluste verzeichneten Restaurants (aus dem Hotel) (minus 25 Prozent), Cafés (minus 15 Prozent) und Kioske (minus 14 Prozent).

Auch der Tchibo Kaffeereport 2022 gibt einen tiefen Einblick in die Konsumgewohnheiten: 73,5 % der Befragten kaufen ihren Kaffee in der Regel im Vollsortimenter. Der Discount ist mit 40,4 Prozent deutlich weniger beliebt. Nur 9,3 % trinken ihre Tasse Kaffee normalerweise in einem Café.

Potenzial sehen viele Hersteller vor allem im stetig wachsenden Premiumsegment. 21,2 % der Befragten des Tchibo Kaffeereports gaben an, beim Einkauf einen höheren Preis für Kaffee einer bekannten Marke zu zahlen. Aber dreht der Wind 2022 wegen hoher Inflation und steigender Energiekosten? Marco Atzberger, Mitglied des EHI-Vorstands, erwartet einen Wechsel: „Es ist davon auszugehen, dass einige Verbraucher nun verstärkt zum Discounter gehen werden.“

Mehr zum Thema „Expansion Food Retail“ im LP-Podcast in Folge 22.

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