München: Kultur- und Freizeittipps von Kabarettist Sven Kemmler – München

Sven Kemmler hat es sich zur Aufgabe gemacht, in seinen Sendungen über den deutschen Tellerrand hinauszublicken: Als selbsternannter Außenminister des deutschen Kabaretts versteht er gerne die Gepflogenheiten und Macken anderer Länder. In „English Lesson“ ging es um Briten und Angloamerikaner, in „The New Middle“ beginnt er mit einem Augenzwinkern, China zu verstehen. Jetzt nimmt er kein Land, sondern die Demokratie und ihre Zukunft unter seine satirische Lupe. Am Freitag, 26. August, steht er mit seiner gefeierten Show „Paradise Lost“ im Kleinen Posthof des Deutschen Museums auf der Bühne.

Montag: Stadtbummel

Kultur- und Freizeittipps: Frühstücken auf der Sonnenliege: Das "Frau Müller" es ist mehr als nur ein Kiosk.  Hier können Sie entspannt in der Sonne frühstücken.

Frühstücken auf der Sonnenliege: Das „Fräulein Müller“ ist mehr als nur ein Kiosk. Hier können Sie entspannt in der Sonne frühstücken.

(Foto: Robert Haas)

Der Montag wird zu Fuß verbracht. Von Schwabing aus ist dies mit einer vernünftigen Untergrenze möglich. Nach einer Stärkung am Kiosk „Fräulein Müller“ geht es in den nördlichen Teil des Englischen Gartens, da dieser mehr Raum zum Nachdenken lässt als der südliche Teil. Etwa auf halbem Weg zum Aumeister empfinde ich es als Abstecher in die Vergangenheit, nach Oberföhring, wo ich aufgewachsen bin. Da mir aber kein anderer Grund einfällt, Oberföhring zu besuchen, werde ich wohl weiter am Wehr vorbei schwimmen, wo einst Heinrich der Löwe Brücken abbrannte und wo heute Griller ihre Würstchen brennen. Als Lektüre enthalten: “Schwabylon” von Alexander Roda Roda. Auf dem Rückweg, wieder durch Oberföhring, gibt es noch einen Grund, vorbeizuschauen, aber nur nachts: Im Kafe Kult spielen ab 20 Uhr Punkbands. Kettenpeitsche und Wütend.

Dienstag: Boule im Hofgarten

Kultur- und Freizeittipps: Nicht nur Wanderer, sondern auch Bocciaspieler genießen die fantastische Atmosphäre des Hofgartens.

Nicht nur Spaziergänger, sondern auch Bocciaspieler erfreuen sich an der fantastischen Atmosphäre des Terrassengartens.

(Foto: Robert Haas)

Als gebürtiger Münchner haben Sie den Vorteil, dass Sie auch ohne eigenen Besitz einen fast echten Besitzanspruch auf die Stadt verspüren, quasi per Geburtsrecht. Sie will benutzt werden, deshalb gehe ich in die Ludwigstraße und ziehe in Richtung Hofgarten. Unterwegs hilft ein Stopp im Cadu, dem Café der Universität. Am Odeonsplatz angekommen, habe ich manchmal das Gefühl, ich könnte noch bis nach Italien laufen. Also marschierte ich zum Deutschen Theater. Natürlich ist die Schwanthalerstraße nicht Mailand, aber im Silbersaal kann man heute nur Leonardo Da Vincis „Letztes Abendmahl“ in voller Größe sehen. Nach dieser Größe brauchen Sie Ablenkung, also gehen Sie später in den Terrassengarten, um den besten Hunden beim Boulespiel zuzusehen und sich dann in einer ruhigeren Ecke zu vergnügen. Vom Himmel fallende Kugeln und zu berechnende Flugbahnen hätten auch Leonardo inspiriert. Abends gehen wir in den Club in der Occamstraße, um uns mit einem fürstlichen Drink zu erden.

Mittwoch: So klingt München

Kultur- und Freizeittipps: Wie klingt München nach Chiang Mai?  die Installation "Reproduktion" von Dumb Type im Haus der Kunst enthüllt.

Wie klingt München nach Chiang Mai? Das zeigt die Installation „Playback“ von Dumb Type im Haus der Kunst.

(Foto: Maximilian Geuter)

Ich muss langsam meine Präsentation am Freitagabend im Deutschen Museum vorbereiten. Andererseits sollten Sie nicht mitten in der Woche plötzlich anfangen, Ihre Arbeit zu übertreiben. Das ist nicht der Grund, warum ich Künstler geworden bin. Also verpflichte ich mich. Erster englischer Garten. Diesmal besser in den belebteren Südteil, um nicht einzuschlafen. Was bei Monopteros immer wieder auf die Probe gestellt wird, denn dort habe ich als Teenager das Driften gelernt und eine sentimentale Herangehensweise will mich dazu bringen, einige Grundübungen zu machen. Mit fast japanischer Disziplin verzichte ich darauf, mich einer kurzen Meditation am schönsten japanischen Ort Münchens – dem Teehaus – zu widmen. Ich würde gerne hierher ziehen und ein Shogunat gründen. Da es aber in meinem Kabarett um Demokratie geht, also um das Kollektiv, gehe ich weiter ins Haus der Kunst, wo das japanische Kollektiv „Dumb Type“ zu sehen ist. Dann wird der Text durch den Schwabinger Bach gearbeitet, inklusive kleinem Bad.

Donnerstag: Futtersuche

Kultur- und Freizeittipps: Jeden Donnerstag bieten Händler ihre Produkte auf dem Wochenmarkt Münchner Freiheit an.

Jeden Donnerstag bieten Kaufleute ihre Waren auf dem Wochenmarkt an der Münchner Freiheit an.

(Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa)

Die Vorräte im Kühlschrank gehen zur Neige, also ist es an der Zeit, die Lebensmitteljagd zu beenden. Als Künstler ist es meine Pflicht, das Handwerk zu fördern, deshalb beginnt die Jagd bei Sabine und Christian in der Metzgerei „Wilde Zeiten“ am Viktualienmarkt mit einer Rolle toten Hirschleberkäses. Grundsätzlich denke ich, dass man möglichst viele Leute kaufen sollte, die man beim Vornamen kennt, denn die Wahrscheinlichkeit, die beste Qualität zu bekommen, ist umgekehrt proportional zur Anzahl der Ladenbesitzer. Das gilt nicht für Genossenschaften, weshalb auf den Bagel meist ein Kaffee im Bellevue di Monaco, dem vielleicht freundlichsten Ort der Stadt, folgt. Aber dort sind Sommerferien, also trinke ich einen Espresso bei Vee, wo ich mich gleich mit Getreide eindecken werde. Dann ein kurzer Besuch bei Randy im „Tara Spirits“ am Rindermarkt, um über Kaffeegetränke zu philosophieren und ein Abstecher zu Caro’s in Antonetty’s Ledergeschäft. Auf dem Heimweg pflücke ich Gemüse auf dem Wochenmarkt der Münchner Freiheit und abends (wie meine Oma immer sagte) kochen wir „bei chez Sven“.

Freitag: Gin bei Buddy’s

Kultur- und Freizeittipps: Der Tagungsraum von Marc Christian (links) und Sven Kemmler ist ein Kreativraum für Kultur, Konzeptküche, Coaching, Seminare und Events.

Der Tagungsraum von Marc Christian (links) und Sven Kemmler ist ein Kreativraum für Kultur, Konzeptküche, Coaching, Seminare und Events.

(Foto: Jeannette Kummer)

Heute Abend arbeiten wir endlich wieder vor Menschen – eine echte Leistung! Dies war in den letzten Jahren ziemlich selten und es ist immer noch ein seltener Genuss. Ich bin sogar noch glücklicher und ich versuche konzentriert auszusehen, sehr konzentriert. Ausflüge vermeide ich vorsichtshalber, denn München ist im Sommer ein Minenfeld der Ablenkung für die arbeitende Bevölkerung. Am Nachmittag gibt es einen Soundcheck und am Abend wird über die Zukunft der Demokratie verhandelt. Ich spiele „Paradise Lost“ – entgegen dem Titel ganz himmlisch unter den Bäumen am Außenposten Lustspielhaus im Kleinen Posthof des Deutschen Museums. Nach Auftritten bin ich meistens wacher, also besuche ich wahrscheinlich meinen Freund und Partner Marc Christian im Meatingraum in der Gollierstraße, der während meines Auftritts das Abendessen mit Gin serviert hat, und hoffe auf einen späten Gin.

Samstag: Rocky Horror für immer

Kultur- und Freizeittipps: "Träume nicht - sei!" lautet das Motto des Kinos im Museum Lichtspiele, in dem seit 40 Jahren Samstage gezeigt werden "Rocky Horror Picture Show" wird gezeigt.

“Träume nicht – sei!” ist das Motto des Kino Museum Lichtspiele, wo seit 40 Jahren jeden Samstag die „Rocky Horror Picture Show“ gezeigt wird.

(Foto: Stephan Rumpf)

Heute ist Schlafenszeit, aber vor ein Uhr muss noch ein Saibling auf dem Wochenmarkt in der Ungererstraße gefangen werden – für Sonntag. Eigentlich wollte ich letztes Jahr selbst an der Isar angeln, zumal mein Bruder einen Angelbedarfsladen an der Riesenfeldstraße betreibt und Kurse für den Angelschein anbietet, aber das Fotokunstprojekt „Pensées“ und die Regie des Sets lachen und Fotografieren entstanden. Am Nachmittag treffe ich mich wahrscheinlich mit einem Freund, um über den neuen Sturm beim FC Bayern zu plaudern – der Verein Ich bin ein Fan der Parität, schließlich können nicht alle Kabarettisten Löwen-Fans sein. Ich kann mir nur die erste Hälfte ansehen, denn dann zieht es mich zurück an den Ort meines gestrigen Verbrechens, das Deutsche Museum. Dort, im Posthof, schaue ich mir die von Kollegen empfohlene Sendung von Hosea Ratschiller an. Danach konnte ich um die Ecke ins Museum Lichtspiele gehen, wo mein Urgroßvater als Stummfilmpianist arbeitete. Die “Rocky Horror Picture Show” ist immer samstags um 23 Uhr da, und es ist wieder soweit…

Sonntag: Saibling mit Whisky

Mir ist klar, dass ich diese Woche zweimal im Deutschen Museum war, aber nicht einmal im Museum selbst, das teilweise renoviert wurde. Als Kind war ich ständig dort, ein Jahr lang bin ich fast jeden Mittwoch mit meiner Urgroßmutter aus Oberföhring dorthin gefahren, um Blitze, Flugzeuge, Turbinen und vor allem Angst im künstlichen Bergwerk zu sehen. Und vor allem ist die Zukunft des Bergwerks jetzt ungewiss, dieser Teil des Museums wird für mindestens sechs Jahre wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Nach dem Museum ist gut für die Woche. Sie müssen sich sonntags ausruhen. Am besten mit einem ca. 30 Minuten geräucherten Saibling, mit geriebenen Kartoffeln, die „gestampft“ (Fachbegriff!) und dann in Olivenöl und einem Schuss Butter schonend angebraten werden. Dann ein Basilikumblatt auf dem Reiberdatschi und ein Spritzer Zitronenmarmelade auf der Räucherforelle. Warm servieren mit einem Glas Wasser und einer “kleinen Dosis” Whisky, zum ersten Mal ein japanischer Yamazaki, zwölf Jahre alt. Dann auf dem Sofa mit „Das Pendel von Foucault“, von Umberto Ecco, vor allem das Kapitel, das im Deutschen Museum im Bergwerk spielt.

Der gebürtige Münchner tourt seit 2004 als Solist, aktuell mit dem Programm „Paradise Lost – Die Zukunft der Demokratie“. Er arbeitet auch als Regisseur, Autor und Dramatiker für Schauspiel sowie für Kabarett und Comedy in deutscher und englischer Sprache. Er ist Mitbegründer des Kultur- und Gastronomieprojekts „Meatingraum“. Seit 2020 widmet er sich zudem regelmäßig dem zweisprachigen Fotokunstprojekt „Pensées“, das auch als Kunstbuch erschienen ist.

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