Rielasingen-Worblingen: Einige Senioren sind allein zu Hause: Tagespflege ist eine Alternative zum Pflegeheim

Es ist fast eine Art zweites Zuhause: Die Krippe der Krippe Sankt Verena in Rielasingen-Arlen ist für viele ältere Menschen ein fester Anlaufpunkt im Alltag. Heute morgen ist es genauso. Die SÜDKURIER-Redakteurin wird für einen Tag zur Krankenschwester und erlebt, wie Tagespflege eine willkommene Abwechslung – und Entlastung – für Gäste und ihre Angehörigen sein kann.

Der Tag beginnt mit einem ausgiebigen Frühstück um 8:30 Uhr. Die 15 Senioren, die an diesem Tag die Kita besuchen, halten fest. Und schon beim Frühstück werden die ersten Neuigkeiten ausgetauscht. Margarita Piehler ist 82 Jahre alt und heute Vormittag Sprecherin der lebhaften Seniorenrunde. „Gut, dass du da bist, setz dich zu uns“, sagt sie. Und der ausländische Gast ist bereits Mitglied der Community.

Sie kommen regelmäßig in die Kita Sankt Verena und haben viel Spaß bei den wechselnden Aktivitäten (von ...

Sie kommen regelmäßig in die Kita Sankt Verena und haben viel Spaß bei den wechselnden Aktivitäten (von links): Agnes Eichstädter, Christina Rothaar und Magdalena Grau. | Bild: Matthias Guntert

Die Kita Sankt Verena ist in zwei Gruppen aufgeteilt. Die fittesten Gäste sind in der größeren Gruppe, wie Angela Aster als stellvertretende Leiterin der Kita beschreibt. In der zweiten Gruppe, die viel kleiner ist, gibt es Gäste, die an diesem Morgen schwer an Demenz erkrankt sind. „Sie werden hier nach einem speziellen Konzept liebevoll betreut. Der geregelte Tagesablauf gibt Orientierung und Sicherheit – mit einer Vielzahl an abwechslungsreichen praktischen Tätigkeiten“, betont Aster.

Beim SÜDKURIER-Besuch in der Krippe wird schnell klar: Die Senioren sind fit und ihr Alltag bietet viel Abwechslung. Verantwortlich dafür ist Pflegefachfrau Susanne Rauh, die dort seit Dezember tätig ist. Sie ist an diesem Tag für das Gedächtnistraining zuständig. Es gibt schwere Gedichte von Wilhelm Busch. Aber den Älteren scheint es zu gefallen. Sie sind mit Eifer dabei.

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Wohin der Esel geht, wenn es ihm zu gut geht, möchte Susanne Rauh von ihren Zuhörern wissen. Ein Blick auf das Gesicht der Praktikantin zeigt bei diesem Sprichwort nur Fragezeichen. Dann zwinkert ihm Margarita Piehler zu und antwortet: „So geht er aufs Eis.“ Susanne Rauh schüttelt den Kopf und lächelt.

Niemand hört viele zu Hause

Die Arbeit in der Kita ist für sie ein Traumberuf. „Ich möchte den Leuten etwas Schönes mit nach Hause geben“, sagt sie. Dazu braucht es ihrer Meinung nach nicht viel. Laut Rauh reiche es oft aus, nur auf die Älteren zu hören. „Viele sind allein zu Hause, haben fast keine Verwandten oder arbeiten den ganzen Tag“, sagt sie.

Die Tagespflege hilft älteren Menschen, nicht allein zu sein und Angehörige zu Hause werden entlastet. „Oft können wir unseren Gästen viele Sorgen im Alltag nicht nehmen, aber wir können zuhören. Unsere Gäste werden hier ernst genommen“, sagt Rauh.

Kein Tag ist gleich

Laut Angela Aster ist jeder Tag einzigartig. In der Kita gibt es keinen Regalalltag. Für Senioren ist es jedoch wichtig, sich ausreichend zu bewegen. Heute Morgen gehen wir mit Pflegeassistentin Martina Graf zum Bewegungstraining. „Ihr werdet überrascht sein, unsere Senioren sind richtig fit“, sagt sie und los geht’s. Bälle werden in die Luft geworfen und wieder gefangen oder beim Radetzky-Marsch wird ein munterer Sitztanz aufgeführt.

Das Musizieren bei Veehharp ist einer der Höhepunkte des St.  Verena.  Hier sind Gertrud Alicke und...

Das Musizieren bei Veehharp ist einer der Höhepunkte des St. Verena. Hier praktizieren Gertrud Alicke und Pflegeassistentin Martina Graf. | Bild: Matthias Guntert

Wie ein Tag verläuft, hängt laut Martina Graf auch von der Stimmung der Gäste ab. Häufig werden Gymnastik oder Gedächtnistraining durchgeführt. Oder ältere Menschen singen, basteln, backen oder kochen gemeinsam. Neben dem Frühstück gibt es Mittagessen und eine Kaffeepause am Nachmittag. „Uns ist wichtig, dass nicht wir den Tagesrhythmus bestimmen, sondern unsere Gäste“, sagt sie.

Wichtig sind auch individuelle Angebote, wie Angela Aster betont. Denn die Gruppen sind so unterschiedlich wie das Angebot. „Nur wenige Gäste kommen jeden Tag“, sagt sie.

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Tage in der Kita sind nicht nur für die Senioren selbst wichtig, sondern kommen auch deren Familien zugute. „Es ist wichtig, dass die Angehörigen entlastet werden“, sagt Angela Aster. Auch pflegende Angehörige zu Hause brauchen ab und zu eine Auszeit und die würde ihnen die Kita geben. “Angehörige greifen oft an”, sagt sie.

Pflegestufen sind finanziell kritisch

Die Kosten für einen Kita-Aufenthalt variieren von Fall zu Fall. Die Kosten werden in erster Linie von den Pflegekassen übernommen und sind zudem abhängig von der Pflegestufe. Es gibt fünf von ihnen. Angela Aster rechnet nach: Ein Gast der Leistungsstufe II erhält monatlich 689 Euro von der Krankenkasse. Das reicht laut Aster, um acht Mal im Monat in die Kita zu gehen. Dazu kämen laut Aster noch Übernachtungs- und Verpflegungskosten, die privat bezahlt werden müssten.

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Inzwischen sind die Älteren bei der Zeitungsgruppe angekommen. Gemeinsam mit Susanne Rauh diskutieren und lesen sie den SÜDKURIER. Dann wird es turbulent. Schnell wird der Praktikant als Autor eines Artikels im Singer Lokalteil entlarvt und zum Leser ernannt.

Bei der Zeitungsrunde in der Kita wird über den Bericht im SÜDKURIER gesprochen (von links): Rosemarie Walter und Agnes...

Bei der Kita-Zeitungs-Runde wird der Bericht im SÜDKURIER angeregt diskutiert (von links): Rosemarie Walter und Agnes Eichstädter hören Pflegefachfrau Susanne Rauh aufmerksam zu. | Bild: Matthias Guntert

Erna Wagner ist 82 Jahre alt und fühlt sich in der Kita sehr wohl: „Mir gefällt hier eigentlich alles, langweilig wird uns nie.“ Sie fühlt sich den ganzen Tag gut betreut. Margarita Piehler stimmt zu. „Es ist gut, dass alle Zeit für uns haben und sich daran erfreuen“, sagt sie.

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