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Für drei Dutzend documenta-Teilnehmer war das Fridericianum, genannt „Fridskul“, in den vergangenen Wochen Lebensmittelpunkt und temporäre Unterkunft. Wir haben die Einheimischen besucht.
Kassel – Heute gibt es Blaubeerpfannkuchen zu Mittag in der „Gudkitchen“, einer malerischen und farbenfrohen Open-Air-Kantine im Hinterhof des Fridericianums. „Aber wir kochen hauptsächlich Indonesier“, sagt Firmanto Budiharto und bietet einen Kaffee an. Dieser gastronomische Bereich ist jedoch nicht für normale documenta-Besucher gedacht, die weiterhin neugierige Fragen stellen. Im Gegenteil, es gehört zum Privatleben von rund drei Dutzend Künstlern, die während der Ausstellung temporär in dem altehrwürdigen Museumsgebäude wohnen.
Leben, lernen, zusammen arbeiten, Wissen teilen – der kollektive Ansatz des Wissensaustauschs ist das Credo der Bildungsplattform Gudskul, die 2018 vom Führungskollektiv d15 Ruangrupa mitgegründet wurde. Das Modell wurde vorübergehend nach Kassel verlegt und das Fridericianum in „Fridskul“ umbenannt.
Budiharto beispielsweise ist seit 50 Tagen in Kassel, ebenso wie sein Mitbewohner Mohamad Fabian Aldiano, der derzeit die Küchenarbeit koordiniert. Kochen, schneiden, spülen und einkaufen funktioniert nach ihren Erklärungen so, wie es in einer WG in Kassel idealerweise funktionieren sollte: Alle sitzen zusammen und schmieden einen Plan, alle bringen sich ein und sind bei den Formalen spontan, zu hilfsbereit jenseits von Zusagen .
Blaubeerpfannkuchen zum Beispiel wurden von einer Mitarbeiterin des Kasseler Museums gebacken. Dieses köstliche Rezept wird auch im handgeschriebenen Gudskul-Kochbuch verewigt, das im Küchenbereich ausliegt. Indonesische Tempeh-Zubereitungen sind darin ebenso verewigt wie Zitronennudeln, koreanischer Gurkensalat oder zentralasiatische Laghman-Nudeln.
Das Beeindruckende: Die Kochanleitungen sind überwiegend im Comic-Stil bebildert und somit sprachunabhängig für jeden verständlich. Was passiert danach mit der Arbeit? Firmanto Budiharto sagt, dass diese Sammlung auch „Teil der Ernte“ der Lumbung-Praxis im Fridericianum, einem Ort der Kunst und des Lebens, ist.
Dieser Wohnraum umfasst neben einem öffentlichen Zugangsbereich links im Erdgeschoss des Hauses, in dem Begegnungen mit den Bewohnern möglich sind, auch einen Schlafbereich hinter der Open-Air-Kantine. Ein Blick hinein mit den Mitgliedern Gudskul Hauritsa (“Ich habe keinen Nachnamen”) und Gusti Hendra Pratama ist erlaubt, aber keine Fotos zum Schutz der Privatsphäre.

Das ist ziemlich bescheiden für die Bewohner, die derzeit unter anderem aus Indonesien, Malaysia, den Philippinen, Australien und Hongkong stammen. Holzkojen, rundum mit einem spitzen Baldachin aus bunten Stoffen bedeckt, bieten den durch Namensschilder gekennzeichneten Bewohnern kaum mehr Platz zum Schlafen. Vereinzelt gibt es ein Sofa, diverse Koffer und Koffer sind in den Fluren zwischen den Betten verstaut, im Flur außerhalb des Schlafbereichs gibt es für jeden Bewohner ein kleines Schließfach mit Schlüssel.
Die Atmosphäre ist friedlich, irgendwo brummt ein Fön: Duschen finden die Bewohner auf Zeit in einer Toilettenschüssel im Hof, weiter oben im Haus soll es eine Waschmaschine geben. All dies könnte für abenteuerlustige Alleinreisende für eine Weile gut sein. Laut Gudskuls Team wohnen keine Paare oder Familien mit Kindern im Fridericianum.

In jedem Fall sollen sich Hausgäste in einer Gemeinschaft zu Hause fühlen. An lauen Sommernächten gibt es in der Kantine fast immer etwas zu feiern, sagen die Einheimischen: mal ein Abschiedsfest, mal ein Geburtstag, mal ein anderes freudiges Ereignis.
Und immer wieder gibt es Karaoke-Abende, die offensichtlich bei der gesamten Künstlergemeinschaft der documenta fünfzehn äußerst beliebt sind. „Fast jeden Abend kommt jemand und fragt, ob wir wieder Karaoke machen“, sagt Gusti Hendra Pratama.