Kleiner Selbsttest mit dem Buch Grill, einem der unzähligen Bände zum Thema Grillen, die jede Saison auf den Markt kommen. Das Exemplar ist schlank, angenehm kompakt in der Hand, pistaziengrüner Einband. Motiv auf dem letzten Papier: zarte Blumen. Sollte es nicht ein dicker Wälzer sein, rauchige Farbe, mit etwas Knistern auf dem Cover? Stattdessen zeigt eines der ersten Fotos: ein rotes Beerendessert mit provisorisch gebräunten Mandeln. Müsste es auf den Seiten nicht irgendwie heller leuchten?
Keine Flammen, kein Fett, das auf die Kohlen tropft – dass Sie davon tatsächlich begeistert sind, zeigt, wie tief die Klischees rund ums Grillen sitzen. Auch wenn Nackensteaks out sind und Frauen nicht mehr nur den Nudelsalat, sondern auch das Feuer machen wollen, hat die Outdoor-Küche immer noch etwas Martialisches. Rukmini Iyer liegt jedoch mit ihrem Pastellbuch „Green BBQ“ (Dorling Kindersley) goldrichtig. Der britische Bestsellerautor hat ein feines Gespür für den kulinarischen Zeitgeist und beim Outdoor-Cooking stehen die Zeichen auf Zucker. Das Grillen von Desserts wird jetzt ernst genommen. Richtig, denn warum schneiden zum Beispiel süße Früchte auf dem Grill schlechter ab als Gemüsespieße? Und außerdem, wenn der Grill angezündet ist, warum bereiten Sie nicht auch ein Dessert zu? Es muss nicht etwas mit – zweifellos köstlicher – geräucherter Vanille sein, um Ihnen den Einstieg zu erleichtern.
Generell gilt: Desserts niemals alleine auf dem Grill liegen lassen!
Eis, Pfirsichhälften oder Käsekuchen heiß vom Grill: Für jemanden wie Bart Mus gehört das zum Arbeitsalltag. Der gebürtige Belgier ist Grillmeister an der „Weber Grill Academy“, wo Teilnehmer von Grund- oder Aufbaukursen die Grundlagen des Kochens, Bratens oder Schmorens auf dem Grill erlernen. Mus war viele Jahre als Koch tätig, und als ich als Grillmeister anfing, interessierte mich vor allem: Kann man die Rezepte, die ich aus der Gastronomie kannte, auch auf dem Grill zubereiten? Erst nach einer Weile traute er sich an die Desserts, mit dem Ergebnis: Ja, es geht. Nach einigen gescheiterten Versuchen gelang es ihm dennoch, Käsekuchen zu backen, was ihm seine deutschen Kollegen mit einem Schmunzeln auszureden versuchten.
Auch Käse und andere Kuchen lassen sich gut auf dem Grill backen.
(Foto: Christin Klose/Picture Alliance/dpa-tmn)
Die wichtigste Regel: Kuchen, Baisertörtchen oder kandierte Früchte sollten von Hitze ferngehalten werden. Desserts sind mit ihrer zarten, oft auf der Zunge zergehenden Textur kein robustes Steak, das höchsten Temperaturen standhält. Im Gespräch mit Bart Mus fällt sofort auf, dass er als Lehrer oft mit neugierigen Schülergruppen spricht. “Wo backt man zu Hause im Ofen einen Kuchen?”, fragt er. “Genau, Mittelschiene.” Daher sollte ein Tablett oder Auflauf mit Süßigkeiten niemals direkt auf die heiße Grillfläche des Kugelgrills gestellt werden, da dort Temperaturen von bis zu 250 Grad erreicht werden können, selbst wenn das Deckelthermometer 180 Grad anzeigt. Mit einer umgedrehten Aluschale – oder natürlich dem Profi-Hitzeschutz – als Boden erhalten die Desserts die richtige, indirekte Hitze. “Wenn du das verstanden hast, kannst du jedes süße Rezept auf dem Grill ausprobieren.”
So weit experimentieren die meisten Neueinsteiger nicht, aber das Interesse an gegrillten Desserts wachse weiter, sagt Mus – vor allem bei den männlichen Kursteilnehmern. Als Vorspeise empfiehlt er gerne einen leichten Fruchtcrumble, für den Pfirsiche, Beeren oder in Scheiben geschnittene Melonen- und Ananasstücke in einem Auflauf gleichmäßig verteilt werden. Einen Krümel Butter, Zucker, Mehl oder Haselnüsse darüber bröseln und “goldbraun backen, nicht länger als 30 Minuten”. Einfach gemacht, einfach zubereitet – und das gemeinsame Tischerlebnis ist etwas Besonderes. “Dessert in der Mitte, jeder probiert es, ist ein schöner Abschluss eines Grillabends.”
Puristen schwören auf gegrilltes Obst
Eine weitere Regel: Vergiss nie die Zeit. Gesunde Lebensmittel wie Lammwürste oder marinierte Zucchini können zur Not ein paar Punkte Holzkohle vertragen. Desserts sind auch empfindlicher. Das gilt besonders für zarte Sachen wie die kleinen Eisbomben, für die Bart Mus eine am Vortag geschnittene Eiskugel direkt aus der Tiefkühltruhe in eine Mürbeteig-Torte legt, komplett mit Baiser bedeckt und alles auf dem vorgeheizten Grill bräunt … für drei Minuten. „Halten Sie in der Zwischenzeit besser den Deckel fest“, sagt er – was bedeutet: Füllen Sie nicht nur das Weinglas, sondern bleiben Sie auf dem Grill. Drei Minuten sind zu wenig. Noch weniger Geduld braucht man für einen Gag, den Bart Mus gewissenhafteren als ersten süßen Säuretest empfiehlt: Die Milchscheiben einfrieren und bei offenem Deckel auf jeder Seite höchstens ein bis eineinhalb Minuten grillen. „Es ist ein Trick, und genau dazu möchte ich die Leute ermutigen: Probieren Sie einfach Desserts auf dem Grill.“
Puristen neigen dazu, Obst als Dessert zu verwenden. Für die Rezepte im Kapitel „Etwas Süßes“ von Rukmini Iyer werden halbierte Aprikosen, Pfirsiche oder Passionsfrüchte, mit etwas Olivenöl bestrichen, einfach direkt auf den Rost eines einfachen Holzkohlegrills gelegt (Glut zur Seite schieben). Das Garen auf Holzkohle verleiht den Früchten ein besonderes Aroma, aber die Raffinesse von Desserts kommt oft später: mit Saucen auf Basis von Rosenwasser, Orangensaft und Pistazien, einem Klecks Mascarponecreme mit Mandeln – oder mit Rosmarin, in dem sich die Fruchthälften befinden zuvor getaucht und über den Kohlen in Karamell verwandelt. Iyer will seinen Lesern auch die Scheu davor machen, Süßigkeiten auf dem Grill zu probieren und betont, dass nicht alles gleich beim ersten Mal klappen muss. Zu den Pfirsichen mit Orangenblütenwasser, Rosmarin und Crème fraîche schreibt sie: „Egal, ob man noch etwas Zucker weglässt, die Pfirsiche karamellisieren trotzdem schön.“
Pfirsiche, Nektarinen oder Aprikosen lassen sich zum Beispiel sehr gut grillen, in Rosmarinzucker wälzen, der über den Kohlen karamellisiert, und dann mit Crème fraîche oder Eis servieren.
(Foto: Bilder von Mauritius / TPP)
Den Naturprodukten innewohnenden Geschmack betonen, der durch die Hitze eines Holzfeuers einfach intensiviert wird: Das ist auch die Methode von Chris Bay und Monika di Muro, obwohl beide hier das Wort „Philosophie“ bevorzugen. Mit ihrer Firma Chillfood in Bern – und zwei im AT-Verlag erschienenen Kochbüchern – haben sich die Schweizer als Experten für sogenannte Feuerküchen profiliert. Bei Veranstaltungen an ungewöhnlichen Orten wie einer alten Mühle oder einer Rotunde mitten in der Stadt wird auf Buchenglut, in Tontöpfen, auf erhitzten Steinen, mit Holzstäbchen als Spieße gekocht. Ein archaischer Vorgang, den das Duo bewusst als Rückbesinnung auf das Unberührte versteht. „Immer schneller, immer schneller, immer komplexer und verrückter“: So sehen sie die „Welt der Kochkunst und ihre breite Vermarktung“ – und setzen dem die Idee der wohltuenden Reduktion entgegen.
Was das bedeutet, wird dem Besucher des Firmensitzes, einer ehemaligen Brauerei direkt an der Aare, schnell klar. Chris Bay führt dann gerne sein Lieblingsdessert vor, das aus genau drei Zutaten besteht: Bio-Zitronen, die im Ganzen auf die Kohlen gelegt werden, bis sie braune Bläschen bilden. Nach zehn Minuten ist das Schnittinnere teils sauer, teils moschusartig und bittersüß, es wird mit Rohrohrzucker bestreut und ein wenig Gin darüber gestreut. „Ein Dessert, das glücklich macht“, sagt Bay, „weil es einfacher nicht sein könnte und doch voller Überraschungen steckt.“
Gegrillte Pfirsiche mit Rosmarinkaramell
Rukmini Iyer empfiehlt für dieses Dessert nicht zu reife Pfirsiche, damit der Geschmack noch etwas von ihrer feinen Fruchtsäure behält (aus Green BBQ. Vegan&Vegetarian. 75 Indoor and Outdoor Grilling Recipes, Dorling Kindersley)
Zutaten (für 4 Personen): 3 volle Esslöffel Rohrohrzucker, 2 Zweige frischer Rosmarin, die feingehackten Nadeln, 4 Pfirsiche, 40 g Mandelsplitter, 2 Teelöffel Orangenblütenwasser (Apotheke!), Crème fraîche
Vorbereitung: Zucker und Rosmarin mischen und beiseite stellen. Sobald der Grill heiß ist, die Schnittflächen der entkernten, halbierten Pfirsiche in den Rosmarinzucker drücken. Mit der Schnittfläche nach oben 5 Minuten grillen, wenden und weitere 5 Minuten grillen. Achten Sie darauf, dass der Zucker nur karamellisiert und nicht anbrennt. Pfirsiche auf einer Platte anrichten. Mit Mandelsplittern bestreuen, mit Orangenblütenwasser beträufeln und heiß servieren. Mit der Crème fraîche separat servieren. Alternativ passt natürlich auch Eis dazu.