Sport und Kultur unter Gleichgesinnten

Das Deutsche Reich sah in Arbeiterbewegung und Gewerkschaften eine Bedrohung und bekämpfte sie mit Repressalien. Dies führte zur Entstehung einer eigenen Bewegung. Vor allem zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden Vereine, die zum Teil noch heute bestehen.

Lag die durchschnittliche Arbeitszeit 1871 noch bei 72 Stunden, sank sie 1914 auf 55 Stunden. Das bedeutete mehr Freizeit und die Möglichkeit, Sport und Kultur unter Gleichgesinnten zu organisieren, heißt es in dem Buch „Was uns bewegt“, das die Geschichte und Geschichten aus 125 Jahren Gewerkschaften in Schweinfurt.

Die bestehenden Clubs waren bürgerlichen Charakters. Sie verlangten hohe Eintrittsgelder und bestanden auf teurer Kleidung. Dem Buch zufolge verhinderte ein System von Bürgen die Einstellung von Arbeitern.

1918 wurde der Sportclub 1900 Schweinfurt registriert

So entstanden eigene Sportvereine. 1893 wurde in Gera der „Arbeiterturnbund“ gegründet, der später zum „Arbeiter-, Turn- und Sportbund“ wurde, um andere Sportarten zu erschließen. 1900 wurde in Schweinfurt der Leichtathletikverein „Germania“ gegründet, der 1913 mit anderen Vereinen fusionierte und 1918 als „Sportclub 1900 Schweinfurt“ registriert wurde.

1902 wurden in Schweinfurt die Freien Turner gegründet, 1904 die Ortsgruppe „Der Bund der Solidarität der Arbeiterradfahrer“. Bereits 1896 entstand auf Reichsebene die „Solidarität“, die in der Weimarer Republik zum weltgrößten Radsportverband wurde. Die Mitglieder unternahmen gemeinsame Ausflüge und übten Kunstradfahren. Leistungssport wurde zunächst abgelehnt, „weil er ihrer Vision von Solidarität widersprach“ (aus „Was uns bewegt“). 1922 trennten sich einige Mitglieder, um sich dem Radsport zu widmen. 1913 wurde der Schwimmverein gegründet.

Touren prägten das Vereinsleben

In Österreich wurden zur Abgrenzung von den bürgerlichen, oft nationalistischen Freizeitorganisationen 1905 die Internationalen Naturfreunde und 1914 der Ortsverein Schweinfurt gegründet. Ausflüge in die nähere und, wenn auch selten, weitere Ferne prägten das Vereinsleben, was angesichts der oft beengten Wohnverhältnisse von besonderer Bedeutung war. 1927 wurde das Haus der Naturfreunde am Spitalseeplatz errichtet und 1932 das Nachthaus „Hohe Wann“ bei Haßfurt eröffnet.

Gretel Baumbach war eine prägende Kraft in der Arbeiterwohlfahrt, einem Hauptausschuss der SPD. Der letzte Ratsherr der Stadt engagierte sich für die Unterstützung von Kriegsopfern und die Ernährung von Kindern. Als Mitglied der Freien Turner nahm sie 1931 an der Arbeiterolympiade in Wien teil. 1976 erhielt sie als erste Frau in Schweinfurt die Ehrenbürgerschaft.

1919 gründete die Arbeiterbewegung den Arbeitersamaritanbund. Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs und der revolutionären Bewegung von 1918 endete die Zeit der staatlichen Repression und es kam zu einem enormen Aufstieg der Arbeitersportbewegung. Bis 1930 hatte sie etwa 1,2 Millionen Mitglieder. Die Einführung der 8-Stunden-Schicht mit mehr Freizeit spielte dabei eine große Rolle.

Oft standen Trachten, Musik und Radio hören auf dem Programm.

Schach, Esperanto, Bowling, Tracht, Musik und Radio standen auf der Tagesordnung mehrerer Arbeitervereine. Der „Bund für Geistfreit“ verfolgte weltanschauliche Themen, die „Kinderfreunde“ machten Bildungs- und Freizeitangebote. In den 1920er Jahren schlossen sich Schweinfurter Arbeitervereine zum „Kartell für Erziehung, Sport und Körperpflege“ zusammen. Bis 1930 hatte das Kartell 4.000 Mitglieder in 22 Clubs. Das waren zehn Prozent der Bevölkerung. Es war das zweitstärkste in Nordbayern.

Zur Abwehr antirepublikanischer Bewegungen, auch der NSDAP, schlossen sich Arbeiterverbände mit den Gewerkschaften, dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold und der SPD zur „Eisernen Front“ zusammen. Bekanntlich vergeblich.

Als die Nazis die Macht übernahmen, begannen sich die Organisationen aufzulösen, wurden aber nach dem Krieg wiederbelebt. Auf eine Neugründung des “Arbeiterturn- und Sportbundes” wurde verzichtet.

Freie Turnerinnen und Turner erhielten die Lizenz, sich neu zu etablieren

Im Dezember 1945 erteilten die Amerikaner Freie Turner seine Lizenz zur Wiedereinstellung. Später schlossen sie sich wie andere Vereine dem „Sportverband des Freistaates Bayern“ an. Damit seien Sport und Politik getrennt worden, heißt es in der Publikation zum 50. Geburtstag von Freie Turner im Jahr 1952.

Arbeiterbewegungsverbände erlebten jedoch keine breite Renaissance. Der ehemalige DGB-Chef Helmut Haferkorn führt dies in seinem Beitrag zu „Was uns bewegt“ darauf zurück, dass viele bis 1933 tätige Führungskräfte ermordet wurden oder im Krieg starben. Darüber hinaus wurden Gewerkschaften laut Haferkorn in das allgemeine kulturelle Leben integriert. Der Verein „Arbeit und Leben“ wurde vom Deutschen Gewerkschaftsbund und seinen Mitgliedsgewerkschaften gemeinsam mit der Volkshochschule gegründet. Er wollte die Stellung der Mitarbeiter am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft durch Weiterbildung verbessern.

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