Suppengesichter – fotointern.ch – Fotonews täglich aktualisiert

Zaboo wirft niemals Lebensmittel weg. Schon gar nicht damals, während der Corona-Zeit, als Sparen angesagt war, weil es für das Fotografen-Ehepaar Zaboo und Christian Herbert Hildebrand so gut wie keine Jobs gab. „Sicher hat man sich in der Corona-Zeit mehr Gedanken über Lebensmittelverschwendung gemacht“, sagt Zaboo, „aber ich habe vorher kaum etwas weggeworfen.“ Sie können fast alles verwenden, und wenn Sie wenig Zeit haben, sind Suppen der schnellste und einfachste Weg, um mit Leichtigkeit und Fantasie neue Rezepte zu kreieren, um Reste zu verwerten, sagt sie.

Aus Resten eine gute Suppe zu kochen geht schnell und einfach, kostet nichts und schmeckt lecker. Während der Corona-Zeit haben Zaboo und Christian täglich ihre Suppe gekocht – und Fotos gemacht

„Schau wie geil“ zeigt Zaboo Christian die Suppe, die er gerade gekocht hat. „Es sieht aus wie ein Gesicht! Der Mund, die Augen und dort die Nasenlöcher… wie lustig». iPhone gezogen – abgedrückt. So entstand das erste Suppenbrett, dem bald eine endlose Serie folgen sollte.

Die tägliche Mittagssuppe war fester Bestandteil des Menüplans – und das Fotografieren damit. Nicht nur alle Reste aus der Küche wanderten in den großen Topf, sondern Zaboo ging auch hinter die Aufbewahrungstöpfe in den Schränken. Was war da! Nüsse, Kekse, Gewürze, geröstetes Brot – längst vergessenes, altbackenes Brot, Bucheckern statt teurer Pinienkerne… aber auch eine Vielzahl an Kräutern, die man in der Natur findet und nichts kostet. Fast nichts, was nicht gut genug war, um eine Suppe zu verbessern.

Auch die Optik gehörte dazu. Viel Wert wurde auf die fantasievollen Dekorationen der Suppen gelegt – schließlich essen die Augen mit. Und damit sich die beiden bis zum Ende der Krise an die strenge Mittagssuppenregel halten konnten, musste sie „aaaachelig“ aussehen.

So wurde Suppe zur täglichen Herausforderung – nicht nur für Zaboo, denn schon bald packte Christian das Suppenfieber und wurde Kurator des Suppenprojekts von Zaboo. „Das Schöne daran war, dass wir beide eine neue Art von Kreativität entwickelt haben“, betont Zaboo. „Zu zweit macht es viel mehr Spaß und es wäre viel schwerer für mich gewesen, mein Suppenprojekt zu Ende zu führen, wenn Christian mich nicht jeden Tag ermutigt hätte.“

„Einmal hatte unser ‚Altbrot-Recycler’ Christian etwas geröstetes Brot übrig. Also steckte er es in den Toaster und stach dann mit dem Ausstecher zwei Herzen aus. Und die Suppe wurde um ein weiteres symbolträchtiges Dekorationselement bereichert…»

So perfekt die Suppenfotos auch wirken, man könnte meinen, dahinter stecke viel fotografische Arbeit – wie man es aus der Food-Fotografie kennt. Ja, weit gefehlt: „Erstens hatten wir keine Zeit dafür, und zweitens hätte die tägliche ‚Must-Suppe‘ etwas an Reiz verloren“, erinnert sich Christian. Die Fotos sind immer sehr spontan entstanden: Zaboo hat gekocht, Christian hat beim Servieren und Dekorieren geholfen und Zaboo hat später die Suppe fotografiert. So wie sie war, immer auf das gleiche grüne, orange oder schwarze Set gesetzt, das Licht gegeben, Flow mit einem etwa zehn Jahre alten iPhone – fertig. „Wir hätten nicht die Zeit gehabt, uns viel mehr Mühe zu geben. Außerdem mussten wir wieder an die Arbeit gehen – das Unternehmen retten, die Standorte modernisieren, um für die Zeit nach Corona wieder Kunden zu gewinnen. Die Suppe hätte es getan bis dahin auch abgekühlt», lächelt Zaboo.

Sind die Bilder stark nachbearbeitet? „Nein, nur die übliche Art und Weise, digitale Fotos standardmäßig zu entwickeln“, erklärt Zaboo. „Die in Photo Schweiz belichteten Fotos habe ich dann farblich und hell angepasst, denn schließlich sind sie bei ganz unterschiedlichen Lichtverhältnissen entstanden; mal war es bewölkt, mal sonnig. Die einzige Konstante war unsere alte Küchenlampe… zumindest im Winter bei bewölktem Wetter»

Stichwort Belichtung: Die Einladung zur Photo Schweiz kam. Fast widerwillig stimmte Zaboo zu, dass Christian sie anmeldete, um den „letzten Anruf“ mit einigen der Fotos zu begleiten. „Ich habe mir keine großen Hoffnungen gemacht, denn dort treten schließlich große Namen an, die sich viel mehr Mühe geben als ich bei meinen Suppen“, versichert Zaboo.

Umso größer war die Überraschung, als die Expertenjury grünes Licht für diese Suppenfotos gab. Die Auswahl erfolgte sehr pragmatisch: „Ich habe nur wenige Fotos heruntergeladen, die besonders aufgefallen sind und die zusammen eine aussagekräftige Serie ergeben, die „beats“ – wie Christian und Zaboo gerne sagen. Und dann ist es plötzlich vorbei“, sagt Zaboo, „denn mit dieser Auswahl könnte man einen ganzen Tag verbringen; schließlich sind in zweieinhalb Jahren viele Fotos von Suppen zusammengekommen». Zaboo rechnet vor: seit März 2020 fast täglich Suppe – „jetzt müssen mehr als 800 Suppenfotos auf der Festplatte sein …“

Und dann hast du die Fotos an Photo Schweiz geschickt. “Ich habe nichts getan”, antwortet Zaboo. «Christian bereitete seine Fotostrecke mit Schwarz-Weiß-Fotos über die Kaffeerösterei Patrik Hosennen aus Gersau vor und meinte, ich könnte die Suppenfotos auch mal probieren. Denkst du das? Mach was du willst… und ich war schließlich absolut fassungslos, als Keystone plötzlich anrief und sagte, sie würden gerne ein Interview mit mir machen. So habe ich erfahren, dass meine Bilder für die Ausstellung ausgewählt wurden.”

«Der zweite Überraschungsmoment kam, als ‘Blick’ als einziges Foto in der Ausstellung ein Foto von mir mit Suppe zeigte. Damit habe ich wirklich nicht gerechnet“, erinnert sich Zaboo. Doch die Überraschungen waren nicht genug: „Bei der Eröffnung kam Matthias Luchsinger auf mich zu und klopfte mir auf die Schulter: ‚Das nächste Mal bei mir, ja.’ Und wegen der Suppenbilder wurde ich zufällig zum diesjährigen ‘Genuss Film Festival’ eingeladen.”

Und jetzt, was kommt als nächstes? „Mal sehen, was auf mich zukommt. Bei Photo Schweiz haben mich viele Leute nach Einsatzmöglichkeiten gefragt. Am meisten habe ich die Idee gehört, ein Kochbuch mit Fotos von verschiedenen Menschen zu machen. Rezepte mit viel Ökonomie und Nachhaltigkeit Tipps; jetzt, wo man von Krise zu Krise springt und die Umwelt immer mehr im Fokus steht, wäre das ein heißes Thema. Aber es gibt noch kein konkretes Projekt.“

Was ist Ihre Botschaft? „Auf der Photo Schweiz wollte ich der Öffentlichkeit vermitteln, dass lokale Unternehmen und Künstler mehr wertgeschätzt werden sollten, weil es nicht nur nachhaltiger ist, weil das Geld vor Ort zirkuliert, sondern auch Ressourcen schont. Heute möchte ich noch weiter gehen: Ich möchte die absurde Lebensmittelverschwendung besonders mit Fotos beleuchten. Bevor Sie den Mülleimer füllen, denken Sie daran, dass Sie aus fast allem etwas Essbares machen können und dass der gesunde Menschenverstand gedruckte Verfallsdaten außer Kraft setzen kann. Außerdem etwas, das wirklich gut schmeckt und praktisch nichts kostet. Dieses Bewusstsein kann für uns alle wichtig werden.”

Interview: Urs Tillmanns

Die Suppenköche: Zaboo und Christian H. Hildebrand

Zabu er ist Porträtmaler und fertigt seine Porträts mit den unterschiedlichsten Mal- und Zeichentechniken, aber auch mit der Kamera an. Zusammen mit Christian betreibt sie viele Workshops, vor allem auf der Insel Elba, die für sie fast eine zweite Heimat ist. Bei der gemeinsamen Firma Fotozug.ch ist sie hauptsächlich für Administration und Marketing zuständig und unterstützt Christian bei den Fotos. Dabei kommt ihr oft ihre Zweitausbildung als Maskenbildnerin zugute.

Christian Herbert Hildebrand ist ein leidenschaftlicher Profifotograf, der sich auf Reportage-, Event- und Studiofotografie spezialisiert hat. Neben dem Motorradfahren liebt Christian Rock, nicht nur um in Erinnerungen zu schwelgen, sondern auch um diese Shows zu fotografieren. Christian hält auch regelmäßig Workshops. «Ich liebe es, mit Menschen in Kontakt zu treten, um ihnen meine Faszination für die Fotografie zu vermitteln, und das auf möglichst unkonventionelle Art und Weise.»

Andere Informationen für Zaboo und Christian H. Hildebrand auf fotozug.ch und auf Instagram @artelier.ch

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