Der Geruch von frischem Brot ist schon von weitem zu riechen, es ist das ganze Jahr über angenehm warm, die Öfen brummen leise im Hintergrund: Eine Bäckerei ist ein faszinierender Arbeitsplatz. Johanna Lenhardt aus Oberelsbach ist mit einer Bäckerei aufgewachsen: Als sie geboren wurde, übernahmen ihre Eltern Joachim und Ute den Betrieb von Joachims Eltern; diese wiederum von den Urgroßeltern von Johanna Lenhardt. Die 26-Jährige hat die Bäckermeisterprüfung als Prüfungsbeste bestanden – und möchte den Betrieb in vierter Generation weiterführen.
„Das Handwerk des Backens hat mich seit meiner Kindheit fasziniert“, berichtet Johanna. Besonders genoss sie den Trubel, der frühmorgens in der Backstube herrschte. „Jeder wusste, was zu tun ist“, staunt Joana noch heute.
Johanna war von Anfang an fasziniert von der Vielfalt der Backwaren, die in traditioneller Handwerkskunst entstehen. So sehr, dass sie sich nach dem Abitur 2014 für ein Praktikum bei Köhlers Vollkornbäckerei in Würzburg entschied. Von 2018 bis 2020 absolvierte sie ihre Ausbildung zur Konditorin bei der Patisserie Walter in Kleinheubach.
Meisterklasse in Vollzeit
Sie ist in den elterlichen Betrieb eingestiegen und hat Anfang 2022 noch einen draufgesetzt: die Meisterschule an der Deutschen Bäcker-Akademie in Weinheim. Johanna ist seit ein paar Tagen Frischbäckerin. Sie war die beste von 34 Masterstudenten. Jetzt absolviert sie eine Zusatzausbildung zur staatlich geprüften Betriebswirtin.
„Die Meisterprüfung war überhaupt nicht einfach“, sagt Johanna. Neben der theoretischen Prüfung in den Bereichen Technik, Mathematik oder Analysis, der Betriebswirtschaftsprüfung und der Ausbilderprüfung musste sie praktische Prüfungen bestehen. Sie musste Brötchen, Spezialbrötchen und ein normales Brötchen auf vier verschiedene Arten backen. Drei Desserts und drei Blätterteig- und drei Plundergebäcke standen auf der Must-Have-Liste und natürlich eine festliche Torte.
Das Aufgabengebiet ist riesig
„Wir sind unglaublich stolz auf unsere Tochter“, schmunzeln ihre Eltern Ute und Joachim und sind immer noch erstaunt, wie entschlossen sie das durchgezogen hat. Beruflich haben beide nie versucht, Johanna in eine Richtung zu drängen, umso besser also, dass sie sich freiwillig für den Bäckerberuf entschieden hat und ihr Lebenswerk weiterführen möchte. Durch die Erfahrungen ihrer Jugend hat sie immer verstanden, was es bedeutet, ein Unternehmen dieser Größe zu führen.
Ute und Joachim Lenhardt denken dabei nicht nur an die sechs Bäckerinnen und zwei Auszubildenden der Bäckerei, sondern auch an die über 30 Verkäuferinnen in den Filialen Mühlencafé und Oberelsbacher Tegut in Ostheim und Stockheim, die vier Kraftfahrer und drei Pflückerinnen oder die zwei Wäscherinnen, drei Putzfrauen und die treue Büroangestellte, die erzogen werden müssen. „Immer gute Laune verbreiten“, schmunzelnd fanden Ute Lenhardt und Joachim Lenhardt, dass das Wochenende für Mitarbeiter immer wichtiger wird, was sich auch mit den Interessen des Unternehmens vereinbaren lässt.
Die Energiekrise macht auch kleineren Bäckereien zu schaffen, da die Herstellung von Brot und Gebäck sehr energie- und rohstoffintensiv ist. „So ein Bäckereibetrieb ist eine große Aufgabe, aber die übernehme ich gerne“, erklärt Johanna optimistisch, obwohl – wie die Bäckerfamilie betont – noch ein Zeitplan für eine Übernahme feststeht.
Kochen ist Teamarbeit
In der kleinen Familienbäckerei in Oberelsbach wird noch alles von Hand gemacht. Von Hand wird der Brotteig geknetet und gewogen, aus dem länglichen Teigstück wird im Handumdrehen eine Brezel geformt und mit handwerklicher Liebe die süßen Teilchen hergestellt und gefüllt. “Es ist lebendiges Material”, sagt Johanna. Man weiß nie genau, wie es am Ende sein wird. Schließlich spielen auch andere Faktoren wie Temperatur oder Luftfeuchtigkeit eine Rolle für das Ergebnis des Endprodukts.
Die Arbeit in der Bäckerei ist Teamarbeit. Ein gutes Miteinander und ein gutes Betriebsklima sind die Basis für alles, was Kunden täglich vor dem Laden kaufen. „Das ist das Tolle am Handwerk: Man bekommt noch am selben Tag direktes Kundenfeedback.“
An frühes Aufstehen gewöhnt man sich, schließlich hat man nach getaner Arbeit den ganzen Tag für sich. Auch der Arbeitsalltag ist äußerst abwechslungsreich: „Man kann unglaublich kreativ sein“, betont die frisch gebackene Bäckermeisterin, die ihre Geschichte als Vorbild für junge Menschen nutzen möchte, um ein Handwerk zu lernen.
Der Duft von frisch gebackenem Brot und Gebäck erfüllt frühmorgens die gesamte Backstube. „Ich liebe diesen Geruch“, sagt sie und freut sich schon auf den nächsten Arbeitstag.
Bäckerhandwerk in Unterfranken
Die Zahl der im Handwerksregister der Handwerkskammer Unterfranken eingetragenen Bäckereien ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Zum 31.12.2011 gab es in Unterfranken noch 385 Bäckereien, davon 33 im Landkreis Rhön-Grabfeld. Zum 31. Dezember 2021 gab es nur noch 269 Bäckereien, davon 19 im Landkreis Rhön-Grabfeld. Der Sprecher der Handwerkskammer, Daniel Röper, nennt dafür mehrere Gründe: Einerseits seien Handwerksbäckereien durch das Angebot an Backwaren in Supermärkten und Discountern einem immensen Preisdruck ausgesetzt. Die angebotenen Backwaren werden überwiegend industriell hergestellt und in Bäckereimaschinen vor Ort gebacken. Dadurch können sie deutlich günstiger als Backwaren angeboten werden. Ein weiterer Punkt ist ein anhaltender Konzentrationsprozess: Es gibt immer mehr Bäckereien mit Filialnetzen. Zudem entscheiden sich immer weniger junge Menschen für eine Bäckerlehre mit der Folge, dass Betriebe geschlossen werden, weil es keinen Nachfolger gibt. Aktuell sind in Unterfranken mehr als 120 Praktikumsplätze in der Bäckereibranche ausgeschrieben.
Quelle: Handwerkskammer Unterfranken