„Wir dürfen Mali nicht Russland überlassen“

Herr. Laessing, die letzten Soldaten der französischen Anti-Terror-Mission Barkhane, verließen Mali am 15. August, vergangenen Montag. Gegen 13 Uhr überquerten die verbliebenen Streitkräfte nach Angaben der französischen Armee die Grenze zum benachbarten Niger. Ihr Stützpunkt in Gao, wo 900 Bundeswehrsoldaten stationiert sind, wurde der malischen Armee übergeben. Was bedeutet das für das westafrikanische Land?

Der Abzug der Franzosen wird die Sicherheitslage in Mali verschärfen und damit auch die Aufgabe der Bundeswehr erschweren. Die französische Armee hat den Dschihadisten Anfang 2013 den Norden Malis entrissen und hält die Terroristen seitdem mit einer Anti-Terror-Mission in Schach. Die Franzosen waren die einzigen, die aktiv kämpften, anders als die Bundeswehr, die im Rahmen einer defensiven UN-Friedensmission operiert. In den vergangenen Monaten haben die Dschihadisten die Zahl ihrer Angriffe deutlich erhöht, weil der Verfolgungsdruck der Franzosen nachgelassen hat: Das ist eine Vorfreude auf die kommenden Monate. Die Franzosen nahmen auch ihre Kampfhubschrauber mit, die der Bundeswehr fehlen werden.

Warum verschlechterten sich die Beziehungen zwischen Mali und der UN-Mission Minusma und damit der Bundeswehr?

Russland steht klar dahinter. Seit Moskau Ende letzten Jahres Militärkräfte nach Mali entsandte, hat Bamako der Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen Beschränkungen auferlegt und Fluggenehmigungen erteilt. Die Russen, zu denen auch Mitglieder der Wagner-Söldnergruppe gehören, wollen ihre Briefe nicht sehen.

„Deutschland rückt immer mehr in den Fokus,
denn die Bundeswehr ist jetzt die Größte
Malis Truppenlieferant und Hauptgegner Frankreich zog sich zurück“

Deutschland rückt zunehmend in den Fokus, weil die Bundeswehr inzwischen der größte westliche Truppenlieferant ist und Malis Hauptgegner Frankreich abgezogen ist. Wir werden viel sichtbarer. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht kritisierte Mali zudem Mitte Juli scharf für die Festnahme von 49 ivorischen Soldaten, die als Sicherheitskräfte zu einem UN-Stützpunkt in Bamako geschickt werden sollten – inhaltlich richtig, aber erstmals wirklich Deutschland treffend im Rampenlicht brachte Zusammenstöße. Lambrechts Bild fand sich in den folgenden Tagen auf den Titelseiten malischer Zeitungen. Seitdem haben sich die Beziehungen verschlechtert und der Einsatz der Bundeswehr noch schwieriger.

Wird die Bundeswehr in Mali noch gebraucht?

Trotz aller Kritik trägt MINUSMA dazu bei, den Norden Malis und damit den Rest des Landes zu stabilisieren. Ohne die UN-Mission und die Bundeswehr wäre der gesamte Norden Malis längst der Kontrolle der Behörden entgangen und die Dschihadisten hätten sich weiter in der Region ausgebreitet.
Das würde mehr Migration nach Europa bedeuten. Darüber hinaus steht die Bundeswehr im Mittelpunkt von MINUSMA, weil die Deutschen Luftaufklärungsflüge durchführen und Verwundete retten. Mit der Einstellung dieses Dienstes in der vergangenen Woche im Lizenzstreit mit Mali ist die Mission kaum handlungsfähig. Das werden auch die Malier merken: Letzte Woche griffen Dschihadisten ein Lager der malischen Armee an und töteten 42 Soldaten – die Bundeswehr rettete die 22 Überlebenden per Hubschrauber, einige von ihnen schwer verletzt.

Bei einem Weggang der Bundeswehr würden sich auch die anderen verbliebenen westlichen Truppenlieferanten wie Briten oder Kanadier zurückziehen. Ihre Kontingente sind zu klein, um ohne die Bundeswehr am Standort Gao zu überleben. Die Russen werden der Bundeswehr das Leben schwer machen – sie werden voraussichtlich in das ehemalige französische Lager Gao ziehen, um sich als vermeintlich zuverlässigerer Sicherheitspartner als die ehemalige Kolonialmacht zu bewerben. Aber gerade deshalb dürfen wir uns nicht überstürzt zurückziehen und Mali Russland überlassen. Seine 1.000 Soldaten werden das Land nicht retten, und der Abzug Deutschlands nach dem Abzug Frankreichs wäre ein weiterer Triumph für Russland.

Die Printausgabe der Tagespost ergänzt die aktuellen Nachrichten auf die-tagespost.de mit Informationen und Analysen.

Leave a Comment